Menschenteufel
wieder an den Fall gedacht.
Prompt stürzte der Tag mit voller Wucht über ihn herein. Sinnlos, darüber zu
grübeln. Morgen würde er wieder zur Arbeit gehen und Verbrecher fangen. Dem
Pepe ging er vorerst allerdings besser aus dem Weg.
»Dürfen wir aufstehen?«
Clara und Bernd sahen aus wie nach einem Monat Karibik. Die Kleine
hatte den robusten Teint und die dunklen Haare ihrer Eltern geerbt. Der Junge musste
aufpassen. Seine blonden Haare hatte die Sonne fast weiß gebleicht. Er sah aus
wie Sandy Ricks in »Flipper«.
Freund fiel auf, dass er zunehmend Menschen mit Charakteren aus
alten Fernsehserien verglich. Heute Vormittag Roman Wuster. Später die Inspektorin
Petzold. Jetzt schon seinen eigenen Sohn. Wurde er alt und sentimental?
Nachlassen des Kurzzeitgedächtnisses? Er musste damit aufhören.
Claudia erlaubte den Kindern, das Abendessen zu beenden. Sein Vater
folgte ihrer Unterhaltung teilnahmslos. Die Kinder kehrten mit zwei Büchern
zurück. Wo waren die Gameboys? Hatte der Tag doch noch seine guten Momente.
Azzurro, il pomeriggio è troppo azzurro e lungo
per me …
»Was ist denn das?«, kicherte Claudia.
»Sommer«, antwortete Freund und nahm das Gespräch an, obwohl ihm die
Nummer unbekannt war. Vielleicht ein Reporter, der ihm Details der Ermittlungen
abschwatzen wollte.
»Lia Petzold hier. Entschuldigen Sie, dass ich so spät störe. Aber
ich schätze, Ihr Fall lässt Sie heute ohnehin kaum schlafen.«
Der Fall schon. Die Begleitumstände nicht. Er wollte ihr sagen, dass
die Sonderkommission »Baal« einen neuen Leiter hatte. Eigentlich müsste man sie
jetzt umbenennen, wo Wuster doch wahrscheinlich einen Satyr und keinen Teufel
dargestellt hatte. Anderer Leute Problem.
Petzold ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Ich habe interessante Dinge über meinen Fall herausgefunden. Und es
gibt wieder einen Berührungspunkt zu Ihrem. Ich dachte, vielleicht können wir
uns darüber noch kurz austauschen.«
»Die Leitung der Sonderkommission wurde heute von einem Kollegen
übernommen. Ich bin schon zu Hause und erst morgen wieder im Büro.«
»Ich weiß.«
»Na dann, erzählen Sie am besten alles Chefinspektor Obratschnik
oder Oberinspektor Wagner oder gleich Magister Furler.«
»Wollte ich ja. Die finden es im Moment nicht wichtig genug.«
»Warum sollte ich das anders sehen?«
»Die zwei haben mir kaum zugehört, und ich kam nicht einmal dazu,
alles zu erzählen.«
Freund seufzte lautlos. »Und das kann nicht bis morgen warten?«
»Ich weiß es nicht. Deshalb würde ich ja gerne mit jemandem reden,
der mehr Zeit und Erfahrung hat.«
Eine durchschaubare Schmeichelei, dachte Freund. Die trotzdem
wirkte, wie er sofort darauf feststellte. Er wehrte sich. »Ich kann hier nicht
weg.«
»Macht nichts. Ich komme zu Ihnen, wenn es Sie nicht sehr stört.«
So eine aufdringliche Person. Er legte die Hand über das Mikrophon
und fragte Claudia, ob sie den kurzen Besuch einer Kollegin sehr übel nähme.
Claudia schüttelte den Kopf und erklärte, ohnehin noch einen Akt vorbereiten zu
müssen.
»Ich beschreibe Ihnen den Weg. Uns hier zu finden ist nicht ganz
einfach.«
Gegen die Gewittertürme bemühte sich die Dämmerung gar nicht und
ging sofort in abendliche Dunkelheit über. Die Windböen waren weitergeeilt. Die
Ruhe vor dem Sturm. Dass selbst die Grillen und Frösche angesichts des
drohenden Unwetters verstummt waren, fiel Freund erst auf, als die Frau
zwischen den Heckenrosen auftauchte und in die Stille »Guten Abend« sagte.
Claudia sah von ihren Unterlagen auf, erhob sich und musterte sie
mit den Augen einer Frau. An ihrem Lächeln bei der Begrüßung konnte Freund
sofort feststellen, was sie von einem Menschen hielt. Mit der Inspektorin Lia
Petzold konnte sie leben, mit ihrer Attraktivität weniger. Vorstellen, Hände
schütteln. »Ich muss weiterarbeiten.«
»Setzen wir uns dorthin«, sagte Freund und führte Petzold zu den
zwei Stühlen neben dem alten Blechtisch. »Wollen Sie etwas trinken?«
»Wasser oder Saft, wenn Sie haben.«
Freund brachte Apfelsaft und Wasser in zwei Karaffen, für sich
selbst ein Glas Wein.
»Also, was haben Sie Neues herausgefunden?«
Sie leerte das Glas wie eine Verdurstende, dann fasste sie ihm ihre
Erkenntnisse zusammen, die Identifizierung von einem der Männer auf Colin
Shorts Suchbild, der Mord an Alvin Tomlins, ihre Archivsuche in einem
Kinderheim.
»In einer Festschrift vom Ende der sechziger Jahre fand ich
schließlich dieses Foto.«
Sie
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