Menschenteufel
Weiteres wird Doktor Short bewacht. Ich übernehme das, bis
Ablösung eintrifft.«
Das Bild eines Menschen
Kurz vor sieben Uhr hatte Freund seine Frau angerufen. Er
erklärte ihr sein Arrangement mit den Feilers. Von den Geschehnissen der Nacht
erzählte er nur so viel wie notwendig. Den Teil im Keller ließ er weg. Er
wollte nicht, dass Claudia sich sorgte. Sie würde es früh genug erfahren. Um
unnötige Fragen zu den fehlenden Stunden zu vermeiden, schloss er gleich einen
Bericht über das dritte Opfer an. Auf die Nachricht über die Betreuung des
Vaters reagierte Claudia halb skeptisch, halb erfreut. Sauer war sie darüber,
dass er die beiden nicht selbst empfing. Noch während des Gesprächs trafen die
Pfleger ein, und sie musste auflegen. Freund konnte sich ihre Laune vorstellen.
Fabelhaft, auf heute Abend durfte er sich freuen.
In den Räumen der Sonderkommission herrschte hektischer Betrieb.
Freund zog sich mit Spazier und Varic in sein Büro zurück. In Ruhe ließ er sie
berichten, was der vergangene Nachmittag und Abend Neues gebracht hatten. Von
Wagner hielt er sich nach Möglichkeit fern. Seit er mit Obratschnik zum Leiter
der Sonderkommission ernannt worden war, kehrte er den seriösen Senior noch
mehr hervor als sonst und konnte den Stolz des Gockels darunter nicht
verbergen. Ich bin eifersüchtig auf ihn, musste Laurenz Freund sich
eingestehen. In diesem Zustand brauchte er das aufgepumpte Ego Wagners nicht in
seinem Büro. Lieber wandte er sich an jene, mit denen ihn keinerlei Rivalität
verband.
Beide sahen müde und übernächtigt aus. Vor allem Varic tat Freund
leid. Zum Glück waren ihre Kinder groß genug, um ihr Frühstück selber
zuzubereiten und sich zu beschäftigen. Freund hatte sie bei verschiedenen
Gelegenheiten getroffen. Sie schienen vernünftige, verantwortungsbewusste Buben
zu sein, die ihrer Mutter das Leben nicht zusätzlich erschwerten.
Zum Aufwachen hatten Freund drei Tassen und eine Thermoskanne voll
Kaffee mitgenommen.
»Bist du sicher, dass du jetzt weitermachen willst?«, fragte Varic.
»Heute Nacht muss die Hölle gewesen sein.«
»Arbeit ist die beste Ablenkung«, erwiderte Freund. »Aber danke,
dass du fragst.«
»Na gut, musst du wissen.«
Sie breitete ein paar Ausdrucke vor Freund aus.
»Es gibt einiges zu Murnegg-Weiss. Auch wenn es jetzt zu spät kommt.
Wobei ich persönlich – noch – keinen Zusammenhang zu der Tat von heute Nacht
herstellen kann.«
Aktennotizen, Anzeigen, Kopien von Zeitungsartikeln, Baupläne, Fotos
von Architekturmodellen.
»Murnegg-Weiss war studierter Ingenieur. Sein Berufsleben verbrachte
er als Beamter bei der Stadt Wien. Die längste Zeit war er in Abteilungen
beschäftigt, die mit Stadtplanung, Müllentsorgung oder Beschaffung zu tun
hatten. Wie du hier siehst, nicht ganz unauffällig. Mehrmals tauchten gegen ihn
Vorwürfe der Geschenkannahme und Bestechung auf. Murnegg-Weiss hat immer wieder
ziemlich umstrittene Großprojekte genehmigt oder Aufträge erteilt, bei denen
andere sich eine goldene Nase verdienten. Geldflüsse in seine Richtung konnten
aber nie nachgewiesen werden. Ein einziges Mal kam es in seinem Umfeld zu einer
Verurteilung wegen Korruption, die betraf aber nicht Murnegg-Weiss. Sämtliche
Verfahren gegen ihn wurden immer eingestellt. Einige sogar auf Weisung von
oben. Andere scheinen einfach irgendwo versickert zu sein. Man kennt das ja.«
»Offiziell hatte der Mann also eine blütenreine Weste«, stellte
Spazier fest. »Angesichts der Masse an Vorwürfen über die Jahrzehnte nehmen wir
aber jetzt einfach einmal an, dass er sich ordentlich schmieren ließ. Wir
müssen nur das Geld finden.«
»Du weißt eh, Unschuldsvermutung, gell?«, erinnerte ihn Freund.
»Na sicher! Wir haben seine Vermögensverhältnisse überprüft, soweit
das bis jetzt möglich war. Abgesehen von dem Haus an der alten Donau scheint er
bescheiden gelebt zu haben. Das Haus hat er nachweislich geerbt. Dafür brauchte
er also nicht viel.«
»So etwas will ich auch erben«, seufzte Varic.
»Gelsenloch«, meinte Spazier. Tatsächlich konnte der stillgelegte
Flussarm im Sommer Mückenplagen produzieren. Freund hatte selbst schon mehrmals
die Flucht vor den schwarzen Wolken ergreifen müssen.
»Seine Schmiergelder muss er woanders angelegt haben«, schloss
Spazier. »Nach seinem Tod werden wir jetzt leichter an die Informationen
kommen. Irgendwo muss er den Lohn für seine Gefälligkeiten ja geparkt haben.«
»Vielleicht hat er es aus einem
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