Menschenteufel
der Browser nichts finden.
»Was soll das?«
»Die Seiten sind anscheinend ebenso kurz aktiv wie die
Telefonnummern, von denen die Antwort- SMS kommen.
Aber«, und sie drückte noch einmal eine Taste, worauf eine lange Zahlenliste
erschien, »wir konnten bereits einige der Server ausfindig machen, auf denen
die Seiten gehostet wurden. Leider liegen sie in der ganzen Welt verstreut,
vornehmlich in Ländern, mit denen die polizeiliche Zusammenarbeit schwierig
ist. Trotzdem haben wir einmal Anfragen an Interpol weitergeleitet. Vielleicht
bekommen wir in den nächsten Tagen Informationen darüber, was für Daten sich
hinter diesen Adressen verbargen.«
Spazier versenkte seine Hände in zwei der zahlreichen Taschen seiner
Allzwecksporthose.
»Ich hätte eine Idee, wie wir es vielleicht schneller erfahren
könnten.«
»Wie?«
»Es gibt ja noch andere, die in diesem System Nachrichten erhalten
haben. Wir besuchen einfach einen dieser Herrschaften und bitten ihn, so einen
Botschaftentausch für uns durchzuführen.«
»Ich habe das Gefühl, dass der Betreffende nicht ganz so kooperativ
sein könnte, wie du dir das vorstellst.«
»Ich mache mir da gar keine Illusionen. Gegebenenfalls machen wir
ihm seine Situation eben drastischer klar.«
»Schönen guten Tag, die Herren: Wem gegenüber wollen Sie drastisch
werden, Inspektor Spazier?« Mit gewohnt schlaksigem Gang betrat Doktor Blilorek
den Raum.
»Nein, weder Oberinspektor Wagner noch Chefinspektor Obratschnik
wollten von mir weitere Informationen«, erklärte der Psychologe auf Freunds
Frage. »Meine ersten Analysen zu den Fällen Wuster und Rother habe ich trotzdem
beiden Sokoleitern per E-Mail geschickt.« Er zuckte mit den Schultern. »Dass
Obratschnik nicht viel von unserer Arbeit hält, weiß ich ja. Aber Wagner …«
»Jetzt auch egal«, murrte Freund, der ein wenig darüber gekränkt
war, so schnell vom E-Mail-Verteiler des Seelendetektivs verbannt worden zu
sein. »Haben Sie denn neue Erkenntnisse?«
Freund fasste die Neuigkeiten kurz zusammen, dann diskutierten sie
noch einmal die mythologischen Bedeutungen der Entstellungen. Blilorek
erklärte: »Homer sagt nichts zum Aussehen der Harpyien, bei Hesiod sind sie
hübsch, bei Äschylos dafür hässlich und stinken obendrein nach Aas. Eine meiner
ersten Untersuchungen galt daher der Sauberkeit der Leiche. Denn nach so einer
Operation müsste sie völlig blutverschmiert sein.«
»Das war sie ja auch.«
»Eben. Der Täter, oder die Täterin, wollte sie also nicht bewusst
von Gestank und Schmutz befreien. Demnach könnte es sich also um die hässliche,
stinkende, böse Harpyie handeln. Worüber mein Team und ich bei unseren Thesen
immer wieder stolperten, war dieses Stehlen von Nahrung und Kindern. Zusammen
mit dem geilen alten Bock, wie der Kollege Spazier das erste Opfer nannte und
jetzt wahrscheinlich auch das dritte, ergibt das schon eine tragfähige Idee.«
Freund begann zu dämmern, worauf Blilorek hinauswollte. »Eine
Kinderräuberin und geile alte Böcke.«
Natürlich musste er sofort an Hermine Rothers Leben und Arbeit im
Kinderheim denken. Freund wurde übel bei dem Gedanken, dass Kinder von der
Geschichte betroffen sein könnten. So erschreckend es war, in seinem Beruf
gewöhnte man sich an viel. Nur Kinder. Daran gewöhnte man sich nie. Doch noch
war alles Hypothese. Blilorek konnte auf einer vollkommen falschen Spur sein.
In solchen Momenten neigte Freund aus Selbstschutz dazu, wie Obratschnik zu
denken und die Theorien der Psychologen als Hirngespinste weltfremder Spinner
abzutun. Die Momente gingen schnell vorbei.
»Es gibt noch ein paar Bedeutungen«, erklärte der Psychologe, als
habe er Freunds Gedanken gelesen, »die in eine solche Richtung weisen. Wir
erinnern uns an die rektal eingeführte Stange beim ersten Opfer. Könnte ein
sexuelles Symbol sein.«
»Beim zweiten wurde nichts Derartiges gefunden.«
»Das irritiert mich auch ein wenig, muss aber nichts bedeuten.
Vielleicht war die Stange beim ersten auch wirklich nur eine Stütze. Aber da
ist noch eine Aufgabe der Harpyien laut einiger Überlieferungen. Auf das Geheiß
von Zeus mussten sie die Seelen Toter in den Tartaros, also die Unterwelt,
bringen, wo sie ewige Qualen erleiden sollten.«
»Kann man doppelt lesen«, dachte Freund laut. »Entweder führte
Hermine Rother arme Seelen ewigen Qualen zu oder sie sollte selbst dort
landen.«
Angespannt wartete er auf eine weitere These Bliloreks, eine ohne
Kinder. Als nichts kam,
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