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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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balkanisches Erbe.
    Stiks’ Wohnung lag im dritten Stock. Sie klopfte. Im gläsernen Auge
des Spions bewegten sich dunkle Spiegelungen. Dann öffnete sich die Tür. Gerold
Stiks reichte Lia Petzold gerade bis zum Kinn und hatte ein Gesicht wie eine
Rosine, so rund und faltig. Zum lila Kurzarmhemd trug er eine helle Sommerhose.
Die bleichen Beine steckten in dunklen Socken und alten Holzschlapfen.
    Von den Tapeten über die Spannteppiche bis zu den Möbeln war die
gesamte Wohnung in Beige- und Brauntönen gehalten. Die Einrichtung musste aus
der Zeit des Hausbaus stammen. Das Wohnzimmer wurde von einer schlammfarbenen
Sitzgruppe beherrscht. Darin versunken saß ein alter Mann, dessen Gesicht noch
rosiniger als das von Gerold Stiks war, und starrte auf den Fernseher. Die
Ähnlichkeit war unverkennbar. Es musste der Vater sein, von dem im E-Mail die
Rede war. Neben dem Fernseher brachte das comichaft gemalte Bild eines kleinen
Jungen mit traurigen Augen, wie Petzold es von Flohmärkten kannte, die einzige
Farbe in den Raum. Aus der Glotze plärrte eine Schlagermusikveranstaltung. Es
roch säuerlich.
    Gerold Stiks stellte seinen Vater Kilian vor.
    »Woher wissen Sie von dem E-Mail?«, fragte Gerold Stiks, nachdem sie
sich gesetzt hatten. Mit der Fernsteuerung stellte er das TV -Gerät ab. Plötzlich hatte sie auch das Interesse von
Stiks senior.
    »Wir haben den Computer von Coulditbe gefunden. Darin war Ihr E-Mail.«
    Stiks reagierte nicht.
    »Coulditbe war das Pseudonym eines Amerikaners, der gerade in Wien
zu Besuch ist. Er wurde brutal zusammengeschlagen und liegt im Koma. Wir
untersuchen den Fall. Wir müssen seinen Aufenthalt in Wien nachvollziehen.
Deswegen wollte ich wissen, ob er sich bei Ihnen auf das E-Mail gemeldet hat.«
    Stiks knetete seine Hände. »Ein Amerikaner? Brutal
zusammengeschlagen, sagen Sie? Nein, bei uns hat sich niemand gemeldet.«
    Er log. Sein ganzer Körper war eine gespannte Feder. Seine Finger
verwickelten sich ineinander, die Zehen rollten auf und ab.
    »Sind Sie sicher? Kein Anruf? Nichts?«
    »Wenn ich es Ihnen sage!«
    Was verschwieg er? Warum? Insistieren hatte keinen Sinn. Sie wollte
noch andere Fragen beantwortet haben.
    »In Ihrem E-Mail schreiben Sie, dass Ihr Vater ein paar der Personen
auf dem Bild erkannt hat. Und dass es jemanden gibt, der noch mehr weiß.«
    »Das war leider ein Irrtum. Er kann sich zwar an ein paar Namen
erinnern. Das ist es aber auch schon.«
    Petzold zog einen Ausdruck des Bildes hervor und reichte ihn direkt
dem alten Stiks.
    »Wen davon kennen Sie?«
    Der Alte sah seinen Sohn fragend an. Nach dessen zustimmendem Nicken
griff er zu. Sein rachitischer Zeigefinger fuhr von links nach rechts über das
Bild.
    »Michael, ich, Justus Fein, gestorben, Emmi, ahh, Bill … Commick
vielleicht, Engländer halt, Alvin oder Alli … Thomas oder so ähnlich, ein Ami,
nach dem hat dieser …«, stockte er bei dem schwarzen Soldaten, bevor er
fortfuhr, »Karoline, Wilfried Brack. Aber der ist auch schon tot.«
    Stiks’ Versprecher war Petzold nicht entgangen. »Nach dem hat dieser …« konnte man wahrscheinlich fortsetzen mit »Amerikaner gefragt«. Jetzt war sie
sicher, dass sie mit Short gesprochen hatten.
    »Und woher kennen Sie diese Leute?«
    »Der Willi war ein Freund von mir. Er hat irgendwelche Geschäfte mit
den Soldaten gemacht.«
    Sofort fiel Lia Petzold Carol Reeds Film »Der dritte Mann« ein.
Geschäfte. Im Film und in der Novelle von Graham Greene ging es um schmutzige
Geschäfte im Nachkriegswien.
    »Wer damals einen Draht zu den ausländischen Militärs hatte, der war
beliebt.«
    »Sie haben zu niemandem auf diesem Bild noch Kontakt?«
    »Nein.« Müde sah er sie aus seinen trüben, wässrigen Augen an.
    »Wie sind Sie überhaupt auf das Bild gestoßen?«
    Blick zum Sohn. Nicken.
    »Gerold hat es mir gezeigt. Er zeigt mir alle Bilder im Internetz.«
    Gerold Stiks mischte sich ein. »Mein Vater hat im Krieg seinen
Bruder verloren. Seitdem sucht er meinen Onkel. Das Internet hat da ganz neue
Möglichkeiten geschaffen. Wir sehen jeden Tag auf die Vermisstenseiten.«
    Einen Onlineanschluss hätte Petzold in diesem Haushalt nicht
vermutet. Voll Mitgefühl sah sie den alten Mann an. »Das muss furchtbar sein.
Haben Sie jemals Hinweise bekommen?«
    Kilian Stiks starrte auf den dunklen Fernseher. »Nichts. Die ganzen
Jahre, nichts. Man sucht und sucht und hofft …«
    »Deshalb möchte man dann auch anderen helfen …«, meinte Petzold.
»Ist es so? Ich

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