Menschenteufel
wird die
umfangreichen geschäftlichen Aktivitäten Alfred Wusters unter die Lupe nehmen.«
Freund hatte die geborene Italienerin Tognazzi bei den Ermittlungen
zu einem Mord im Schleppermilieu kennengelernt. Sie war blitzgescheit und eine
aggressive Flirterin. Mit dem gleichnamigen Schauspieler war sie nicht
verwandt. Insgeheim musste Freund zugeben, dass er sich von der drahtigen Frau
mit dem schmalen, kantigen Kinn und dem olivenfarbenen Teint angezogen fühlen
könnte, wäre er nicht glücklich verheiratet.
Vielfältiges grüßendes Nicken in der Gruppe. Tognazzi setzte sich
und hob erwartungsvoll eine Braue über ihren großen schwarzen Augen.
»Also. Was haben wir?«
Ein Beamter studierte die Blätter aus dem Drucker und sortierte sie
in Leitz-Ordner. Auf Freunds Frage zeigte er auf eine Reihe von sechs Ordnern.
»Alles schon Hinweise. Hier, die ersten fünf, Spinner und
Unbrauchbares.« Er hob einen hoch. »Bei diesen sollten wir nachhaken.«
Die Aussortierung fürchtete jeder Ermittler. Um allen Hinweisen
nachzugehen, bräuchten sie zehnmal so viel Personal. Stattdessen wurde gespart.
Die Informationsmasse zwang zur Selektion. Neunzig Prozent waren für den
Mistkübel. Bloß welche neunzig Prozent? Immer lebte die Angst mit. Hatte er
auch nichts übersehen? Steckte hinter dem zusammenhanglos dahergeredeten
Quatsch doch ein tieferer Sinn? Aus welchem nicht verfolgten Tipp würden ihm
Medien und Vorgesetzte später einen Strick drehen?
»Alfons Wagner stellt Teams zusammen und teilt die Qualität-A-Hinweise
in Fünfergruppen. Haben wir Wusters Telefondaten schon?«
»Müssen jeden Moment kommen«, antwortete Varic.
»Und die Infos über Bram?«
»Sind in Arbeit. Um elf haben wir einen Termin bei ihm.«
»Der Herr gibt Termine?«
»Viel beschäftigter Mann.«
Der dritte Mann
Aus der schmucklosen blassgrünen Fünfzigerjahrefassade schienen
die Fensterquader gestanzt. Über dem Eingang verkündete eine Tafel die Erbauung
des Hauses aus Mitteln der Wohnbauförderung unter Bürgermeister Franz Jonas
1956 bis 1958.
Trotz des sonnigen Tages machte diese Straße einen düsteren
Eindruck. Petzold wusste nicht, ob es an den gesichtslosen, grauen Häusern lag.
Etwas saß ihr im Nacken. Sie fühlte sich beobachtet. Abrupt drehte sie sich um.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite zog eine alte Frau ihr
Einkaufswägelchen. Sonst war da niemand.
Auf einem matten Aluminiumschild mit der Nummer 17 neben der Tür
standen zwei Dutzend Namen in Reih und Glied. Neben jedem ragte ein runder
Knopf hervor wie die Spitze eines Zeigefingers, der auf sein jeweiliges Schild
aufmerksam machen wollte. Petzold klingelte bei Stiks.
»Wer ist da?«
»Inspektorin Lia Petzold von der Wiener Polizei.«
»Was wollen Sie?«
»Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Wozu?«
Lia Petzold hatte Gerold Stiks überprüft. Er hatte keinerlei
kriminelle Vergangenheit. Warum zierte er sich so?
Ȇber Ihr E-Mail an Coulditbe wegen einer Personensuche im
Internet.«
Die Gegensprechanlage schwieg. Petzold wollte ihre Antwort schon
wiederholen, als der Türöffner summte. Drinnen roch es nach Putzmittel,
Rindsuppe und Knoblauch. Man müsste ein Buch über die Gerüche in Wiener
Treppenhäusern schreiben, schoss Petzold durch den Kopf. Wenn man die Zeit
dafür hätte. Es gab Bücher über die Bezirke, die Straßen, Haustüren, die
Kanalisation, über Kinder, Essen, Wein und Sex in Wien. Gerüche fehlten. Dabei
waren sie das typischste Merkmal jeder Stadt. Der Guide d’Odeur. Das Wiener
Duftbuch. Jahrgangsausgaben.
Als Polizistin kam sie in viele Treppenhäuser. Sie müsste ein
kleines Diktaphon mit sich führen. Und in jedem Treppenhaus ihre Eindrücke
hineinsprechen. Das Haus im siebten Bezirk, in dem sie wohnte, zum Beispiel.
Beim Öffnen Gulasch, im Aufstieg eine sich verstärkende Note Wandfarbe,
Blumenerde, Metallgeländer, altes Holz, mit einem starken Rückgrat aus
Knoblauch. Ihre Dienststelle. Linoleum, Leberkäsesemmel, Holzfurnier, kalter
Kaffee auch hier, Schmieröl, warm gelaufener Computer, verstaubtes Papier und
getragene Textilien, unterstützt von einem Hauch Knoblauch. Unvergesslich ein
Kindheitsgeruch, dessen bloße Erinnerung sie würgen ließ, obwohl sie die
Besuche bei ihren Urgroßeltern väterlicherseits geliebt hatte. Kalte Kohlbombe,
schlecht ausbalanciert mit Straßenabgasen, grauem, kleinfleckigem Schimmel,
Altpapier, Schweiß, benutzter Katzenstreu und Knoblauch. Knoblauch war
eigentlich immer dabei. Wiens
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