Menschliche Einzelteile (German Edition)
kleiner, blonder
Engel. Die Gangster hatten die Familie wohl gerade überrascht,
als sie die Kleine mit einem Gutenachtkuss zu Bett bringen wollte.
Der kleine blonde Engel trug ein viel zu großes T-Shirt,
vermutlich als Nachthemdersatz, und Pantoffeln. Sören hätte
beinahe laut „Wow!“ gerufen, doch seine antrainierte
Unauffälligkeit hielt ihn eisern im Griff.
Stattdessen
rappelte sich Ewald auf und raffte seine Maschinenpistole ein. Dabei
keifte er: „Nimm gleich die Pfoten hoch, du Knallkopf!“
Dabei fiel ihm die MP wieder aus der Hand und polterte zu Boden.
„Hoppla.“
„ Wir
brauchen einen Arzt“, sagte Remo und brachte damit etwas Ruhe
in die Situation. „Unseren Kumpel hier hat es erwischt. Wenn
der nicht bald verpflastert wird, dann ist es aus mit ihm.“
Der
Supersoldat stierte Remo an, als seien diesem rosa Wölkchen aus
den Ohren gekommen. „Wah?“
„ Bist
du taub oder bist du doof, Mann“, donnerte der Schinken. „Wir
brauchen einen Arzt. Einen Doktor. Jemand, der kaputte Typen wieder
zusammenflicken kann.“
Der
Supersoldat stierte noch immer in die Runde, als habe er es mit den
Insassen eines Irrenhauses zu tun. Sören überlegte schon,
ob er kurz anmerken sollte, er sei an dieser ganzen Geschichte nur
passiv beteiligt, doch sein Unauffälligkeitsinstinkt behielt
auch weiterhin die Oberhand.
Dann
ertönte hinter ihnen eine Stimme: „Mann, Herr Doktor, der
Berthold ist am Verbluten. Das sehen sie doch!“
Sören
dachte: „Jessy!“
Remo
entpuppte sich als Gedankenleser. Er sagte: „Jessy!“ Und
dann: „Du blöde Kuh, du solltest doch im Auto bleiben.
Und überhaupt … wo ist eigentlich deine Maske?“
Sören
gaffte Jessy an. Oh Mann, selbst wenn Detlev ihm jetzt ein Ding
verpasste, weil er sich umgedreht hatte – dieser Anblick war
es wert!
Dieses
volle, wallende, blonde Haar! Diese sonnengebräunte Haut! Diese
Hüften! Diese Augen! Oh ja, dafür wäre Sören
sogar bereit gewesen, einen Hieb zu kassieren. Aber nur einen.
Obwohl
…
Sören
schaute genauer hin.
Das
Blond der Haare reichte nicht ganz bis zu den Haarwurzeln und wurde
dort auf den letzten Millimetern von einem Braunton abgelöst.
Im Gegenzug dazu reichte die Sonnenbräune der Haut nicht ganz
bis zum Haaransatz. Ein bisschen viel Make-Up um die Augen.
Erinnerte ein wenig an einen Waschbären. Und die Haare wirkten
auch ziemlich verfilzt. Dafür rahmten sie das viel zu dick
ausgefallene Gesicht aber prima ein, das musste man ihnen lassen.
Und das Gesicht passte recht gut zum Rest von Jessys Körper -
da war nämlich alles ein wenig aus dem Leim geraten. Summa
summarum musste Sören sich selbst eingestehen, es sei wohl
besser gewesen, Jessy hätte eine Maske getragen oder man hätte
ihm das Kotzkissen wieder übergestülpt.
Aber
verdammt nochmal, sie war nun einmal eine Frau – und damit
genau das, was Sören so dringend benötigte, um endlich
seine Jungfräulichkeit zu verlieren!
Dann
riss ihn Jessy aus seinen Gedanken. „Von wegen im Auto
bleiben“, keifte sie. „Ich bleibe doch nicht im Auto
sitzen, während du dich hier mit irgendwelchen Weibern
vergnügst. Und eine Maske habe ich nicht. Du hast gesagt, ich
soll im Auto bleiben. Da brauchte ich doch gar keine.“
„ Na
toll“, brüllte Remo. „Genau das habe ich dir
gesagt: Du sollst im Auto bleiben. Und wo bist du jetzt gerade? Ist
das hier etwa das Auto?“
Der
Buddha drängelte sich an Jessy vorbei. Auch er trug keine
Maske. Und eigentlich sah er überhaupt nicht aus wie ein
Buddha. Er wirkte vielmehr wie ein Killer-Daidai oder so ähnlich.
Ein klapperdürrer Kerl. Schulterlange Haare, Stirnband mit
Indianermuster und ein Kinnbärtchen. Dazu zwei Augen, die
scheinbar nur aus Pupillen bestanden.
Der
Buddha hielt Jessy seine Strumpfmaske hin. „Hier. Kannst meine
haben.“
Remo
schaute die beiden eine Sekunde lang an. Dann ließ er seine
Waffe sinken und setzte sich einfach auf den Boden. Dabei schüttelte
er seinen Kopf, bevor er ihn hängen ließ. „Meine
Fresse, das halte ich nicht aus!“
„ Manno!“,
kreischte Jessy, „das ist doch jetzt scheißegal! Der
Berthold verblutet, kapiert ihr das nicht? Der stirbt! Bis jetzt
haben wir nur ein bisschen Blödsinn gemacht. Das ist alles
nicht so schlimm. Wir können die Kohle immer noch zurückgeben
und uns entschuldigen. Aber wenn der Berthold stirbt, dann sind wir
richtig dran.“ Sie wandte sich an den Supersoldaten. „Herr
Doktor, Sie müssen uns helfen. Bitte! Sie sind doch
Weitere Kostenlose Bücher