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Menschliche Einzelteile (German Edition)

Menschliche Einzelteile (German Edition)

Titel: Menschliche Einzelteile (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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seiner Patienten gewesen. Ich
durfte aber der Operation vor meiner beiwohnen. Als ich ihm dann
erklärte, wie sehr ich seine Technik bewundere, fühlte er
sich außerstande, Hand … also, Messer an mich zu legen.
Seither sind wir ein Paar.“
    Tja,
das war es für Sören also gewesen. Frau Doktor war ja
sowas von verheiratet, da hätte Sören nicht einmal landen
können, wenn die Gangster Herrn Doktor von Brechtow mit einem
Kopfschuss erledigt hätten. Für Sören war das
einerseits ein Grund für weitere Depressionen, an denen sich
sein Therapeut eine goldene Nase verdienen konnte. Andererseits war
es aber ein Vorteil, denn Sören musste sich nun immerhin keine
Gedanken mehr machen, wie er der Frau Doktor imponieren konnte.
Schade drum, doch nun konnte Sören seine Aufmerksamkeit ganz
auf die Kleine richten, die noch immer auf der Sofakante saß
und zitterte. Doch bevor Sören eine Strategie ausarbeiten
konnte, um die Kleine einzuwickeln, klingelte das Telefon.

13. La Cucaratscha

    Ein
Schnurlostelefon in der Ladestation - das Ding stand auf einem
kleinen Beistelltisch, in der Ecke hinter der Sitzgarnitur. Genau
genommen klingelte es nicht, sondern gab ein elektronisches Gedudel
von sich.
    Alle
Köpfe flogen herum und alle Blicke hefteten sich auf das
Telefon. Dann schien eine Paralyse über alle Anwesenden zu
kommen, denn niemand rührte sich mehr.
    Und
das Telefon klingelte.
    Und
klingelte.
    Schließlich
war es ausgerechnet Sören, der als erster seine Sprache wieder
fand. Er sagte: „Telefon.“
    Einiges
Gedudel später sagte Ewald: „Ja.“
    Schließlich
erwachte auch Remo aus seiner Starre. Er warf einen Blick auf seine
Armbanduhr und sagte: „Fast Mitternacht. Verdammte Scheiße,
wer ruft denn jetzt noch an?“
    Alle
Blicke richteten sich auf Frau Doktor. Diese zuckte mit den
Schultern. „Ich weiß nicht. Keine Ahnung. Ich erwarte
keinen Anruf mehr.“
    „ Okay,
dann geh ran.“ Remo gestikulierte mit seiner Maschinenpistole
in Richtung Telefon, doch Ewald fuhr dazwischen.
    „ Stopp!
Das läuft nicht. Was ist, wenn die uns am Telefon verpfeift?
Dann haben wir hier ganz schnell die Bullen auf dem Hals.“
    „ Stimmt
schon“, sagte Remo, „aber das Gedudel geht mir
fürchterlich auf den Sack. Also los, geh mal einer ran.“
    Der
Schinken schien nicht sonderlich amüsiert. „Das geht dir
auf den Sack? Mann, das ist die Titelmelodie aus 'Doktor Schiwago'.
Das ist ein absoluter Klassiker. Und dir geht das auf den Sack? Du
Banause!“
    „ Na
klar.“ Ewald sprang sofort auf den Zug auf. „Ist doch
typisch für die Ossis. Ist eben nicht die 'Internationale'.
Keine Ahnung von nix, aber über alles meckern.“
    „ Was
hat das denn damit zu tun?“, verteidigte sich Remo. „Ich
habe doch gar nicht gesagt, dass ich das Lied scheiße finde.
Ich habe nur gesagt, dass mir das Gedudel auf den Sack geht. Das hat
nichts mit Banausität zu tun, sondern mit der Situation. Wäre
das mit richtigen Instrumenten gespielt, dann würde mir das
auch gefallen. Ist zwar nicht Rammstein, aber trotzdem ganz in
Ordnung. Ich mag es einfach nicht, wenn es elektronisch gedudelt
wird.“
    Nun
mischte sich auch Detlev ein: „Genau, das finde ich auch.
Immer dieses blöde Gepiepse. Da sitzt man morgens in der S-Bahn
und hat die Augen noch nicht richtig auf, da geht nebenan
irgendeinem blöden Schulbuben das Handy in der Tasche los. Das
nervt ganz schön. Und außerdem ist das nicht 'Doktor
Schiwago', sondern 'Eine kleine Nachtmusik' von Mozart. Das kam in
'Creepshow' und in 'Alien' vor, wo Dallas im Shuttle sitzt und den
Funkspruch kriegt, er soll mal auf die Krankenstation kommen. Ich
kenne mich doch da aus.“
    „ Erde
an Depplev, Erde an Depplev!“ Ewald hielt sich die Hände
vor den Mund imitierte eine Lautsprecherdurchsage. „Melden sie
sich sofort in der Psychiatrie. Ihre Schrauben müssen
nachgezogen werden.“
    „ Geht
jetzt mal jemand ans Telefon?“, fragte Jessy dazwischen.
Niemand schenkte ihr Beachtung. Stattdessen ergriff der Schinken
wieder das Wort: „Also, ich glaube aber doch, das ist aus 'Dr.
Schiwago'. Hört doch mal … Da dadada-da, da dadada-da,
dadda-dadda-dadda-daaa.“
    „ Ja
klar, du kennst dich auch mit Filmen aus“, keifte Detlev
zurück.
    Und
in der kurzen Atempause, die zwischen den einzelnen Dialogzeilen und
zwei Klingeltönen entstand, rutschte Sören heraus: „Das
ist 'La Cucaratscha'.“
    Wie
auf ein geheimes Signal hin fuhren alle Köpfe – sogar der
von Frau Doktor – zu ihm herum

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