Menschliche Einzelteile (German Edition)
sollte
dann eine Kundgebung stattfinden. Man werde den Bullenschweinen die
Unbeugsamkeit der Pfalzenberg Sturmfront vor Augen führen.
Kunststück – schließlich wäre der
Polizeiposten gegen Abend nicht mehr besetzt.
Was
die beiden Sturmsoldaten jedoch nicht berücksichtigt hatten:
Unter den Zuhörern an diesem Morgen befand sich auch ein guter
Freund von Oswald Hundertmarck, dem Sohn des Direktors. Über
diesen Kanal erfuhr zunächst Oswald von der geplanten Aktion
der Pfalzenberg Sturmfront. In der nächsten großen Pause
erstattete Oswald dann seinem Papa Bericht.
Papa
Hundertmarck griff selbstverständlich umgehend zum
Telefonhörer, wählte Huberts Direktdurchwahl und
informierte den Polizeichef über die geplante Kundgebung mit
anschließender Randale und Saalschlacht.
Hubert
nahm diese Nachricht nicht unbedingt mit Freude auf, denn sie
bedeutete zusätzliche Arbeit. Abgesehen davon hegte er keinen
Groll gegen Pfister, Vogler oder einen der anderen Sturmfrontler.
Diese Jungs schlugen einfach gerne einmal über die Stränge.
Das war in diesem Alter doch völlig normal! Dennoch konnte
Hubert den Hinweis des Direktors nicht ignorieren, denn Direktor
Hundertmarck pflegte ausgezeichnete Kontakte zum Rathaus. Eine Blöße
gegenüber dem Bürgermeister oder dem Magistrat mochte sich
Hubert nicht geben. Deswegen fiel es ihm nicht schwer, seine
Untergebenen zu einer Sonderschicht zu motivieren.
So
erwarteten alle sieben Polizeibeamte unter Huberts Kommando an
diesem Freitagabend den Angriff der Sturmfront von Pfalzenberg.
Dieser
startete, wie geplant, gegen 19 Uhr. Die sechs Mitglieder der
Sturmfront bezogen auf dem Parkplatz vor dem Polizeiposten Stellung.
Sie hatten einen Bollerwagen mitgebracht, um zwei Schachteln Bier,
vier Baseballkeulen, einen Nunchaku und einen Totschläger,
angefertigt aus einem Stück Gartenschlauch, einigen Metern
Isolierband und mehreren Stahlkugeln, zu transportieren.
Auch
wenn die sechs Möchtegern-Skindheads es nicht wussten, doch
ihnen gelang sogar eine beinahe vorschriftsmäßige
Grundstellung der Bundeswehr. Dann trat Pfister vor, hob die rechte
Hand zum Hitlergruß und brüllte: „Sieg Heil, Ihr
Bullenschweine!“
Gegen
19:02 Uhr endete die Kundgebung mit der vorläufigen Festnahme
aller sechs Mitglieder der Sturmfront von Pfalzenberg. Schlagwaffen
und Getränke wurden beschlagnahmt.
Im
Folgenden musste die Sturmfront von Pfalzenberg polizeiliche
Maßnahmen über sich ergehen lassen. Dazu zählten das
Erfassen der Personalien sowie eine Moralpredigt von Hubert
höchstpersönlich.
Hubert
beendete seine Predigt mit den Worten: „Also, Jungs, ihr wisst
ja, ich muss euch das alles sagen. Das gehört nun einmal zu
meinem Job. Mir wäre es auch lieber gewesen, ihr hättet
den Kanaken eine ordentliche Abreibung verpasst, aber was soll ich
machen? Tja, alles, was ihr heute noch totschlagen könnt, ist
die Zeit. Ich muss euch nämlich hier behalten, bis die Disco
vorbei ist. Ich schlage vor, wir machen es uns in der Zeit ein
bisschen gemütlich. Will jemand ein Bier?“
Einige
Stunden später hatten beide Schachteln Bier ihr Leben
ausgehaucht. Hubert hatte bereits zwei seiner Beamten losgeschickt,
um bei der 24-Stunden-Tanke an der Autobahnraststätte Nachschub
zu holen, während die anderen Beamten mit den Mitgliedern der
Sturmfront über die Endlösung des Ausländerproblems
in Deutschland diskutierten. Das Bierversorgungskommando traf gerade
wieder ein, als das Telefon klingelte.
15. Parkinson & Blindheit
„ Mann,
ich habe keine Ahnung, was der Litzinger hier zu suchen hat“,
sagte Remo – und beantwortete damit die Frage des Schinkens,
denn er wusste selbstverständlich nichts vom Überfallkommando
der Sturmfront von Pfalzenberg.
„ Der
Litzinger hat uns schon lange auf dem Korn. Neulich habe ich mit
Ewald und dem Buddha auf dem Marktplatz ein bisschen abgehangen. Wir
haben ein paar Biere gekippt und eine Tüte gequalmt. Auf einmal
stand diese Fettsau in seinem Streifenwagen vor uns, glotzte uns an
und meinte: 'Euch krieg' ich irgendwann auch noch.' Mann, der hat es
einfach auf uns abgesehen.“
Sören
konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Nun würden diese
Verbrecher bekommen, was sie verdienten!
„ Winkelmann?“,
quäkte es unter Remos Händen aus dem Lautsprecher.
„Winkelmann, bist du noch da?“
„ Äh,
ja“, sagte Remo.
„ Winkelmann,
pass mal auf: Ich hatte heute Abend einen Anruf von Dr. von
Brechtow. Der Gute steckte anscheinend ziemlich in der
Weitere Kostenlose Bücher