Menschliche Einzelteile (German Edition)
er.
Doch
nun musste er sich fragen, wer im ersten Obergeschoss mit
verschiedenen Küchenmessern an Berthold herumsäbelte. Es
galt auch zu klären, was es mit dieser Tussi und dem Mädchen
auf sich hatte. Doch das musste warten – zunächst einmal
musste die Bertholdfrage beantwortet werden.
Litzinger
quatschte gerade wieder etwas, doch dafür hatte Remo nun keine
Zeit. „Litzinger, ich ruf' zurück!“ Remo legte auf.
Dann wandte er sich an seine Kumpels.
„ Leute,
ich gehe jetzt nach oben und schaue nach Berthold. Typ aus
Frankfurt, du kommst mit. Ihr anderen passt hier unten auf, damit
der Litzinger kein linkes Ding abzieht. Wenn er oder einer von
seinen Brummochsen versucht, durch ein Fenster einzusteigen, dann
knallt ihm eins vor den Latz. Los geht’s!“
Remo
wartete nicht ab, ob die anderen seine Anweisungen verstanden
hatten. Gemeinsam mit dem Typen aus Frankfurt polterte er die Treppe
hinauf.
Oben
angekommen stieg Remo sofort der Gestank in die Nase. Eine Mischung
aus Scheiße und Kupfer. Dabei stank selbst das Kupfer, als
bestehe es aus Scheiße. Und dieser Gestank sickerte eindeutig
hinter der Tür auf der linken Seite hervor – dem
improvisierten Operationssaal.
Remo
ging zur Tür und klopfte an – ganz vorsichtig, um
niemanden zu erschrecken. Vielleicht war doch alles in Ordnung und
der Doktor nähte Berthold gerade zusammen. Wäre ja zu
dumm, wenn der Doktor vor Schreck mit der Nähnadel daneben
stach.
In
diesem Augenblick fiel Remo auf: Der Doktor hatte überhaupt
kein Nähzeug mitgenommen. Weder Nadel noch Faden. Wie, zum
Donnerwetter, wollte er den Berthold dann zusammenflicken?
„ Äh,
Doc?“, rief Remo. „Berthold? Alles in Ordnung da drin?“
Keine
Antwort.
Remo
schaute über die Schulter zu dem Typen aus Frankfurt. Dieser
wedelte mit einer Hand vor dem Gesicht herum, als wolle er den Mief
vertreiben. Remo nickte dem Typen zu, brachte seine Sa.25 in
Anschlag und legte die linke Hand auf den Türgriff. Noch ein
kurzer Blick zu dem Typen aus Frankfurt, noch ein Nicken, und dann –
oh Mann, eigentlich wollte er gar nicht wissen, was sich hinter
dieser Tür abspielte.
Aber
er musste!
Mit
dem Schwung der gesamten Entschlossenheit, die Remo aufbringen
konnte, drückte er den Türgriff nieder und stieß die
Tür weit auf. Dann machte er einen Schritt in den Raum hinein,
wie der Mann im Mond, schaute sich einmal um und zog sich sofort
wieder zurück.
Im
Treppenvorraum überlegte er, ob er sich zuerst einmal gepflegt
bekotzen sollte. Hinter ihm spazierte unterdessen der Typ aus
Frankfurt in das Zimmer hinein und schaute sich um.
Der
Typ aus Frankfurt sagte: „Mannomann!“
Remo
entschied, das Kotzen auf später zu verschieben. Er musste nun
einen kühlen Kopf behalten. Vor allem musste er nachsehen,
wohin der Doktor verschwunden war – auch wenn das bedeutete,
noch einmal dieses Schlachthaus da drin betreten zu müssen.
Remo versuchte, sich gegen den Anblick zu wappnen, doch es
funktionierte nicht sonderlich gut. Der Typ aus Frankfurt
verkraftete offenbar besser, was in diesem Zimmer zu sehen war, denn
er schaute sich nur mit einem Kopfschütteln um.
Herr
Doktor hatte Berthold in seine Einzelteile zerlegt.
Selbstverständlich
hatte es an Berthold keine Sollbruchstellen gegeben, an denen man
ihn hätte durchschneiden können. Stattdessen war der
Doktor mit Methode vorgegangen und hatte Berthold in funktionale
Gruppen zersägt. Diese hatte er auf die unterschiedlichen
Möbelstücke im Raum verteilt und dabei eine unvorstellbare
Sauerei angerichtet. Teile des Zimmers wirkten, als seien sie mit
roter Farbe angestrichen worden.
Während
Remo noch versuchte, diesen Anblick zu verdauen, öffnete sich
plötzlich die Tür am Ende des Zimmers, die in den Raum
hinter dem Treppenhaus führte. Dort tauchte der Herr Doktor auf
und warf den beiden Männern ein strahlendes Lächeln zu.
„ Ah,
habe ich doch richtig gehört. Ich bin gerade fertig geworden.“
Der Mann deutete einmal in die Runde. „Ich musste erstmal
duschen. Solche Operationen sind immer eine schlimme Schweinerei,
deswegen führe ich sie in der Regel nur nackt oder in einem
Taucheranzug durch. Andernfalls könnte ich nach jedem Patienten
meine Klamotten wegschmeißen.“
Remo
gaffte den Mann an. „Du … du bist gar kein Doktor!“
Der
Mann lachte. „Aber klar doch. Ganz bestimmt. Ich bin Arzt.
Vertrau' mir.“
Erst
jetzt kam Remo auf die Idee, seine Waffe auf den Mann zu richten.
Der Typ aus Frankfurt hatte eine
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