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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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erhöht die Komplexität der Handlung
beträchtlich. Bis zu diesem Punkt benützten George und Martha
ihre Gäste nur in Quasikoalitionen, sozusagen als Munition für
ihre gegenseitigen Angriffe. In die neue Runde ist der dritte Spieler, Nick, aber unmittelbarer einbezogen. Da er zunächst den an
ihn gestellten Erwartungen nicht nachkommt, schafft George die
Voraussetzungen dafür mit Hilfe eines Vorspiels, «Die Gästefalle», das Nick in die gewünschte Stimmung versetzt:
    Nick (zu George): Das wird Ihnen noch leidtun.
    George: Vielleicht. Mir hat schon vieles im Leben leidgetan.
    Nick: Das wird Ihnen leidtun, dafür sorge ich.

    George (leise): Daran zweifle ich nicht. Es war eine bittere Pille, hm? Sie wurmt Sie sehr ... die Schande, was?
    Nick: Ich spiel noch Scharaden mit Ihnen, verlassen Sie sich drauf ... nach Ihren Spielregeln ... in Ihrer Sprache ... Ich werde genauso sein, wie Sie mich hingestellt haben.
    George: So sind Sie schon längst, Sie wissen es nur nicht. [S. 90]
    Das Bemerkenswerteste in den nun folgenden Ereignissen ist ihre Konformität mit Georges und Marthas Grundregeln und speziellen Taktiken.' Denn wieder sind beide darauf aus, mit dem anderen abzurechnen: Martha durch die flagrante Herausforderung des unverhüllten Ehebruchs, George dadurch, dass er diese Situation erst herbeiführen hilft und dann wiederum Martha ihr eigenes Benehmen vorwirft. Er lockt sie in diese Falle, indem er, statt mit ihr eine neuerliche symmetrische Eskalation zu durchlaufen, ihr plötzlich nicht nur (komplementär) zustimmt, sondern sie sogar auffordert, sich mit Nick einzulassen. Das ist keineswegs der Rückzug eines Hilflosen, obwohl dieser Schritt für George durchaus nicht schmerzlos ist. Martha ist für eine neue Eskalation gewappnet, nicht aber für diese neue Taktik Georges (die in Abschnitt 7.3 unter dem Titel «Symptomverschreibung» näher behandelt wird). Als Antwort auf ihre Drohung teilt ihr George in aller Ruhe mit, dass er ein Buch zu lesen gedenke:
    Martha: Was tust du?

    George (ruhig und deutlich): Ich lese mein Buch. Lesen. Lesen. Lesen?!
Du weißt doch, was das bedeutet? (Er nimmt ein Buch zur Hand.)

    Martha (steht auf): Was soll das heißen? Lesen? Jetzt?! Was ist denn in
dich gefahren? [S. 101 f.]
    Nun steht Martha vor der Wahl, entweder die Verführung Nicks
aufzugeben oder sie fortzusetzen, um zu sehen, wie ernst es
George mit seiner Absicht ist. Sie entscheidet sich für die zweite
Möglichkeit und beginnt, Nick zu küssen. George ist in sein
Buch vertieft.
    Martha: Weißt du, was ich tue, George?
    George: Nein, Martha ... Was tust du?
    Martha: Ich unterhalte einen Gast. Ich halte ihn unter. Ich knutsche mit
einem Gast. [S. 103]
    Aber George lässt sich nicht herausfordern. Martha hat nun die
Provokationen verwendet, die normalerweise Georges Reaktionen auslösen. Sie versucht es nochmals:
    Martha:... Ich hab gesagt, ich knutsche mit einem Gast!
    George: Hoffentlich macht's dir Spaß. Lass dich nicht stören.
    Martha (ratlos, sie weiß nicht, was sie sagen soll): ... Ich soll mich nicht ...
    George: ... stören lassen, ja ... wenn's dir Spaß macht.
    Martha (kneift die Augen zusammen, ihre Stimme wird hart und böse):
Jetzt weiß ich, was du bist, du lausiger, alter ...
    George: Ich bin auf Seite hundertsechsundzwanzig ... [S. 103]
    Martha wird unsicher, schickt Nick in die Küche und wendet sich
wieder George zu:
    Martha: Jetzt hör mir gut zu ...
    George: Ich möchte viel lieber lesen, Martha, wenn's dir nichts
ausmacht.
    Martha (vor Zorn den Tränen nahe, vor Demütigung außer sich vor
Wut): Es macht mir aber etwas aus! Entweder du gibst dein fieses Spiel chen sofort auf, oder ich schwör bei Gott, ich tu's. Ich schwör bei Gott,
ich folg dem Kerl in die Küche, nehm ihn mit mir rauf und ...

    George (dreht sich ihr brüsk wieder zu, laut, hasserfüllt): Und wenn
schon, Martha! [S. 104]
    In ähnlicher Weise verfährt er mit Nick:
    Nick: Sie machen sich überhaupt nichts ... aber auch gar nichts ...
    George: Sie haben vollkommen recht: ich mache mir gar nichts draus. Ich
wüsste nichts, was mir gleichgültiger wäre. Also bitte, nehmen Sie den
alten Wäschesack, werfen Sie ihn über die Schulter und ...
    Nick: Sie sind ekelhaft.
    George (ungläubig): Ach! Sie sind drauf und dran, Martha zu behüpfen,
und ich bin ekelhaft?! (Er bricht in schallendes Gelächter aus.) [S. 103 f.]
    5.411 Georges und Marthas Wettstreit ist nicht, wie es oberflächlich scheinen

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