Menschliche Kommunikation
und die Definition der Beziehung durch die Partner (und ebenso durch Nationen) nur bis zu diesem Punkt. Diejenigen aber, die etwas schärfere Denker sind, können nicht an diesem Punkt haltmachen, und
hier nun wird die Paradoxie des Gefangenendilemmas besonders
offensichtlich. Lösung (a2, b2) wird unvernünftig, sobald A
begreift, dass sie nur das kleinere Übel, aber eben doch ein Übel
ist und dass auch B das so sehen muss. B muss also genauso wenig
Grund haben, dieses Resultat zu wünschen - eine Schlussfolgerung, die A unschwer ziehen kann. Sobald A und B zu dieser Einsicht gelangt sind, ist nicht mehr (a2, b2) die vernünftige Lösung,
sondern vielmehr die kooperative Lösung (a,, b,). Mit (a,, b,) aber
beginnt der Kreislauf wieder von Neuem. Wie immer sie an ihr
Dilemma herangehen - sobald sie die «vernünftigste» Lösung im
Sinne ihres eigenen Interesses gefunden haben, drängt sich eine
«noch vernünftigere» Lösung auf. Somit stecken sie in derselben
Sackgasse wie die Schüler, die die Prüfung nur dann voraussagen
können, wenn sie unvoraussehbar ist.
Moral: Reine Logik und menschliches Vertrauen vertragen
sich nicht.
7.1 Die Illusion der Alternativen
7.11 In der Geschichte des Weibs von Bath beschreibt Chaucer die
Erlebnisse eines Ritters der Tafelrunde König Arthurs, der eines
Tages beim Ritt von der Jagd zurück zum Schloss auf ein junges
Mädchen stößt und sie vergewaltigt. «Um dies Vergehen ward ein
solcher Lärm gemacht», dass der Ritter fast hingerichtet worden
wäre, wenn sich die Königin und ihre Damen nicht für sein Leben
eingesetzt und Arthur ihnen die Entscheidung über das Los des
Ritters überlassen hätte. Die Königin beschließt, ihm das Leben
zu belassen, wenn er die Antwort auf die Frage «Was ist's, was
alle Frau'n am eifrigsten erstreben?» finden kann. Sie gibt ihm
dafür eine Frist von einem Jahr und einem Tag, und mit dem
Todesurteil als einzige Alternative nimmt der Ritter diese Aufgabe an. Das Jahr vergeht, der letzte Tag kommt, und der Ritter
ist auf dem Weg zurück zum Schloss, ohne die Antwort gefunden
zu haben. Dieses Mal stößt er auf ein altes Weib, «so hässlich, wie
man sich's kaum denken kann», das auf einer Wiese sitzt und ihn
mit den prophetischen Worten anspricht: «Herr, hier geht kein
Weg hinaus.» Als sie von seiner misslichen Lage erfährt, sagt sie
ihm, dass sie die Antwort wisse und sie ihm eröffnen werde, wenn
er verspricht, «bei deiner Ehre, / mir das, was ich zuerst von dir
begehre, / zu tun, steht irgend es in deiner Macht». Wiederum vor
die Wahl zwischen zwei Alternativen gestellt (geköpft zu werden oder den Wunsch der Hexe zu erfüllen - was immer sie auch fordern mag), entscheidet sich der Ritter natürlich für die letztere
und erfährt das Geheimnis: «... im Allgemeinen steht / der Weiber Wunsch nach Souveränität, / dass den Geliebten oder Mann
in Haft / sie halten unter ihrer Meisterschaft.» Die Königin und
ihre Damen sind mit dieser Antwort vollauf zufrieden, doch nun
äußert die Hexe, die ihren Teil der Abmachung gehalten hat,
ihren Wunsch und verlangt, dass der Ritter sie heirate. Die Hochzeitsnacht kommt, und der Ritter liegt an ihrer Seite, unfähig, seinen Abscheu vor ihr zu überwinden. Schließlich bietet ihm die
Alte wieder zwei Alternativen zur Wahl: Entweder er akzeptiert
sie so, wie sie ist, und sie wird ihm Zeit seines Lebens ein treues
und bescheidenes Weib sein, oder sie wird sich in ein wunderschönes junges Mädchen verwandeln, ihm aber niemals treu sein.
Lange grübelt der Ritter, welcher Alternative er den Vorzug
geben soll, doch schließlich wählt er weder die eine noch die
andere, sondern lehnt die Wahl selbst ab. Dieser Höhepunkt der
Geschichte ist in der einen Zeile: «I do nofors the whether of the
two» (sinngemäß: «Ich bestehe weder auf dem einen noch auf
dem anderen»), enthalten. In diesem Augenblick verwandelt sich
die Hexe nicht nur in ein schönes Mädchen, sondern zudem in
das treueste und gehorsamste Weib.
Dem Ritter begegnet das Weibliche als unschuldiges Mädchen, Königin, Hexe und Hure, aber seine Macht über ihn bleibt hinter allen diesen Erscheinungsformen so lange dieselbe, bis er sich nicht mehr gezwungen fühlt, zu wählen und so in immer neue Zwangslagen zu geraten, sondern schließlich nicht mehr eine der Alternativen, sondern die Wahl selbst ablehnt.' Die Geschichte des Weibes von Bath ist aber auch ein tiefsinniges
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