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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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Kapitel weiblicher Psychologie und als solches von Stein [141] einer sehr interessanten Analyse unterzogen worden. Aus unserer Sicht würden wir sagen, dass, solange die Frau den Mann
durch eine endlose Illusion von Alternativen doppelbindet und er
sich nicht daraus befreien kann, auch sie nicht frei ist, sondern in
der Illusion gefangen bleibt, dass Hässlichkeit oder Promiskuität
ihre einzigen Alternativen sind.

    7.12 Der Ausdruck Illusion der Alternativen wurde zum ersten Mal von Weakland und Jackson [156] in einem Bericht über die zwischenmenschlichen Gegebenheiten eines schizophrenen Schubs verwendet. Sie beobachteten, dass schizophrene Patienten in ihrem Bemühen, die richtige Entscheidung zwischen zwei Alternativen zu treffen, in eine typische Zwangslage geraten: Infolge der Natur der zwischenpersönlichen Situation ist es den Patienten unmöglich, eine richtige Entscheidung zu treffen, weil beide Alternativen Teile der Doppelbindung sind und der Patient daher im einen wie im andern Fall «unrecht» hat. Es bestehen also keine eigentlichen Alternativen, von denen der Patient die «richtige» wählen «sollte» - die Annahme selbst, dass eine Wahl möglich ist und daher getroffen werden soll, ist eine Illusion2. Die Erkenntnis aber, dass die Möglichkeit einer Wahl gar nicht gegeben ist, wäre gleichbedeutend mit dem Erkennen der illusorischen Natur der angebotenen «Alternativen» und daher letztlich des Wesens der Doppelbindung selbst. Wie wir aber in Abschnitt 6.431 und anhand verschiedener Beispiele gesehen haben, ist das Vereiteln jeder Flucht aus der Situation und die damit verbundene Unmöglichkeit, sie von außen her durchschauen zu können, ein unerlässlicher Bestandteil der Doppelbindung. Menschen in dieser Situation sind wie der Angeklagte, den der Staatsanwalt fragt: «Haben Sie endlich aufgehört, Ihre Frau zu misshandeln? Antworten Sie oder !» und ihm mit Bestrafung wegen Missachtung des Gerichts droht, wenn er beide Alternativen zu verneinen versucht, weil er seine Frau nie misshandelt hat. Während der imaginäre Staatsanwalt aber weiß, dass er einen üblen
Trick anwendet, sind dieses Wissen und diese Absicht in wirklichen Lebenssituationen meist nicht vorhanden. Wie wir bereits
gesehen haben, binden paradoxe Kommunikationen alle Partner.
Die Hexe ist ebenso gefangen wie der Ritter, der Gatte im Beispiel von Abschnitt 6.445 ebenso wie seine Frau usw. Alle diese
Beziehungsstrukturen haben eines gemeinsam: dass in ihnen
selbst keine Änderung erwirkt werden kann, sondern dass eine
Änderung nur durch ein Heraustreten aus der Struktur und von
außen her möglich wird.

    Im intrapsychischen Bereich hat C.G. Jung in einer wenig
bekannten Schrift vor vielen Jahren einen ähnlichen Sachverhalt
geschildert und dafür den Begriff transzendente Funktion geprägt.
Er schreibt:
    ... Das Hin und Her der Argumente und Affekte stellt die transzendente
Funktion der Gegensätze dar. Die Gegenüberstellung der Positionen
bedeutet eine energiegeladene Spannung, die Lebendiges erzeugt, ein
Drittes, das keine logische Totgeburt ist, entsprechend dem Grundsatz:
tertium non datur, sondern eine Fortbewegung aus der Suspension zwischen Gegensätzen, eine lebendige Geburt, die eine neue Stufe des Seins,
eine neue Situation herbeiführt [79, S. 31].
    Über die Rolle dieser Funktion in der Therapie sagt Jung:
    ... In praxi vermittelt daher der entsprechend vorgebildete Arzt dem
Patienten die transzendente Funktion, das heißt, er hilft dem Patienten,
Bewusstsein und Unbewusstes zusammenzusetzen und dadurch zu einer
neuen Einstellung zu gelangen [79, S. 11].
    Bevor wir uns jedoch den Fragen der Therapie zuwenden können, müssen wir das Problem, wie sich in zwischenmenschlichen
Systemen ein Wandel herbeiführen lässt, theoretisch untersuchen.

    7.2 Das «Spiel ohne Ende»

    Zunächst ein abstraktes Beispiel: Man vergegenwärtige sich zwei
Personen, die übereinkommen, ein Spiel zu spielen, das in der
Vertauschung von Bejahung und Verneinung in allen ihren gegenseitigen Kommunikationen besteht. «Ja» wird zu «nein», «ich
will nicht» bedeutet «ich will» usw. Es handelt sich also um eine
einfache semantische Übereinkunft, wie deren unzählige zwischen allen Menschen bestehen, die eine gemeinsame Sprache
verwenden - mit der einen Ausnahme, dass diese Übereinkunft
eine rein private ist. Was allerdings nicht unmittelbar klar ist, ist
die Tatsache, dass die Spieler, sobald

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