Mephisto
Spione bewachen ließen – dergleichen war sehr wohl möglich, obwohl der Intendant meistens sächsisch vor lauter Herzlichkeit mit ihm sprach und der Minister sich mit ihm photographieren ließ. Wenn sie herausbekamen, daß er mit der Negerin ein Verhältnis hatte und sich obendrein von ihr hauen ließ, dann war er verloren. Eine Schwarze: das war mindestens ebenso arg wie eine Jüdin. Es war ganz genau das, was man jetzt allgemein ›Rassenschande‹ nannte und äußerst verwerflich fand. Ein deutscher Mann hatte mit einem blonden Weibe Kinder zu machen; denn der Führer brauchte Soldaten. Keinesfalls durfte er bei einer Prinzessin Tebab Tanzstunden nehmen, die eigentlich makabre Lustbarkeiten waren. Kein Volksgenosse, der auf sich hielt, tat so was. Auch Hendrik konnte es sich nicht mehr leisten.
Eine Zeitlang nährte er die törichte Hoffnung, Juliette würde nicht herausbekommen, daß er in Berlin war. Aber natürlich hatte sie es noch am Tag seiner Ankunft erfahren. Geduldig wartete sie auf seinen Besuch. Da er stumm blieb, ging sie ihrerseits zum Angriff über. Sie rief ihn an. Hendrik ließ durch Böck erklären, er sei nicht zu Hause. Juliette tobte, rief wieder an und drohte, sie werde kommen. Was, um des Himmels willen, sollte Hendrik tun? Ihr einen Brief zu schreiben, schien ihm nicht ratsam: sie könnte das Papier zur Erpressung benutzen. Er entschloß sich endlich dazu, sie in jenes stille Café zu bestellen, in dem er sein diskretes Rendezvous mit dem Kritiker Ihrig gehabt hatte.
Juliette trug keine grünen Stiefel und kein kurzes Jäckchen, vielmehr ein sehr einfaches graues Kleid, als sie zur ausgemachten Stunde im Lokal erschien. Ihre Augen waren rot und verschwollen. Sie hatte geweint. Prinzessin Tebab, die Königstochter vom Kongo, hatte Tränen vergossen um ihren ungetreuen weißen Freund. Auf ihrer niedrigen Stirne, die zu zwei kleinen Buckeln gewölbt war, lag ein drohender Ernst. – Sie hat vor Zorn geweint, dachte Hendrik, denn er glaubte kaum, daß Juliette andere Gefühle kannte als Zorn, Habgier, Naschsucht oder Sinnlichkeit.
»Du schickst mich also weg«, sagte das dunkle Mädchen und hielt die Lider gesenkt über ihren beweglichen und gescheiten Augen.
Hendrik versuchte ihr die Situation auf vorsichtige, aber eindringliche Weise klarzumachen. Er zeigte sich väterlich besorgt um ihre Zukunft und gab ihr mit sanfter Stimme den Rat, möglichst bald nach Paris zu fahren. Dort werde sie Arbeit als Tänzerin finden. Übrigens versprach er, ihr monatlich etwas Geld zukommen zu lassen. Verführerisch lächelnd legte er einen großen Geldschein vor sie hin auf den Tisch.
»Ich will aber nicht nach Paris«, sagte eigensinnig Prinzessin Tebab. »Mein Vater war ein Deutscher. Ich fühle mich ganz als Deutsche. Ich habe auch blonde Haare – wirklich, sie sind nicht gefärbt. Und überhaupt, ich kann kein Wort Französisch. Was soll ich denn in Paris?«
Hendrik mußte über ihren Patriotismus lachen, worüber sie zornig wurde. Nun schlug sie ihre wilden Augen auf und ließ sie rollen. »Dir wird das Lachen schon noch vergehen«, schrie sie ihn an. Sie hob die dunklen und rauhen Hände, sie streckte sie gegen ihn, als wollte sie ihm ihre hellen Innenflächen zeigen. Hendrik blickte sich entsetzt nach der Kellnerin um; denn Juliette ließ mit lauter, jammernder, fast heulender Stimme Vorwürfe und Anklagen hören. »Du hast niemals irgend etwas ernst genommen«, behauptete sie in ihrem schmerzvollen Zorn. »Nichts, nichts, gar nichts auf dieser Welt, außer deiner dreckigen Karriere! Mich hast du nicht ernst genommen, und deine Politik auch nicht, von der du mir immer vorerzählt hast! Wenn du wirklich zu den Kommunisten gehalten hättest, könntest du dich dann jetzt so gut mit den Leuten vertragen, die alle Kommunisten totschießen lassen?«
Hendrik war bleich wie das Tischtuch geworden. Er stand auf. »Genug!« sagte er leise. Sie aber hatte ein höhnisches Lachen, das durchs Lokal gellte, in dem, zu Hendriks Glück, niemand saß. »Genug!« äffte sie ihn nach, wobei sie die Zähne bleckte. »Genug – ja, das könnte dir so passen: genug! Jahrelang habe ich die wilde Frau spielen müssen, obwohl ich gar keine Lust dazu hatte, und nun willst du plötzlich der starke Mann sein! Genug – genug: ja, jetzt brauchst du mich nicht mehr – vielleicht weil jetzt im ganzen Land so viel geprügelt wird? Da kommst du wohl auch ohne mich auf deine Kosten? … Ach, ein Schuft bist du! Ein ganz
Weitere Kostenlose Bücher