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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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auf ein tadellos reinrassiges Eheweib. Eine Frau wie Barbara aber hätte Hendrik sich selbst dann nicht gefallen lassen müssen, wenn sie garantierte ›Arierin‹ gewesen wäre. Es war ja eine Schande und ein offener Skandal, wie sie es trieb! –
    Sie hatte Paris nicht verlassen, seit sie im Februar 1933 dort eingetroffen war. Jeder, der sie von früher her kannte, mußte bemerken, daß sie verändert war. Alles Träumerische war von ihr abgefallen, und sie schien kaum noch geneigt zu wehmütigen oder heiteren Spielen. Ihr Gesicht hatte einen Zug von Entschlossenheit bekommen: er saß zwischen den Augenbrauen, er beherrschte die Stirn. Sogar ihr Gang, der ehemals schlendernd gewesen war, verriet nun eine neue Energie. So bewegt sich jemand, der ein Ziel hat, und nicht ruhen will, ehe es erreicht und erobert ist.
    Barbara, die sich mit kleinen Zeichnungen und schweren Büchern, mit sorgendem Interesse für ihre Freunde, mit leichten Spielen und grüblerischen Gedanken die Zeit vertrieben hatte, war aktiv geworden. Sie arbeitete in einem Komitee für politische Flüchtlinge aus Deutschland. Außerdem besorgte sie, gemeinsam mit ihrem Freund Sebastian und Frau von Herzfeld, die Herausgabe einer Zeitschrift, die sich mit den Kriegsvorbereitungen, den kulturellen und juristischen Greueln, mit dem Schmutz und der Gefährlichkeit des deutschen Faschismus beschäftigte. Sebastian und die Herzfeld waren verantwortlich für die Redaktion; Barbara hatte das Geschäftliche zu erledigen. Zu ihrer eigenen Verwunderung stellte sich heraus, daß sie nicht unbegabt und nicht ohne Geschicklichkeit für finanzielle Dinge war. Die kleine Revue mußte sich selber erhalten, sie wurde von keiner Seite gestützt. Sie erschien wöchentlich, jede Nummer in deutscher und französischer Sprache. Zunächst wurde sie nur einem engen Kreis von Abonnenten zugesandt und war nicht gedruckt, sondern hektographiert. Nach einem halben Jahr war aus den dünnen Blättern eine Zeitschrift geworden, die in allen europäischen Städten außerhalb Deutschlands ihre Freunde hatte. »In Stockholm lesen uns fünfzig Leute, und in Madrid fünfunddreißig, und in Tel-Aviv hundertundzehn«, durfte Barbara feststellen. »Mit Holland und der Tschechoslowakei bin ich ganz zufrieden. In der Schweiz muß es besser werden. Wenn wir nur einen geschickten Vertreter in Amerika hätten! Es ist alles noch viel zu wenig. Hunderttausende sollten erfahren, was wir zu sagen haben. – Wir sind so arm«, sagte sie – man hielt eine ›Redaktionskonferenz‹ in ihrem kleinen Hotelzimmer. »Unsere Feinde geben Millionen aus, damit ihre Lügen unter die Leute kommen – und wir wissen kaum, wovon wir die Briefmarken bezahlen sollen.« Sie ballte ihre schmalen, bräunlichen Hände zu Fäusten. Ihre Augen bekamen den drohenden Blick – wie immer, wenn sie an die Verhaßten, an die ›Feinde‹ dachte. – Verändert hatte sich auch Sebastian, der sich früher nur um die feinsten und schwierigsten Dinge bekümmert hatte. Nun bemühte er sich, einfach zu denken und einfach zu schreiben. »Der Kampf hat andere Gesetze als das hohe Spiel der Kunst«, sagte er. »Das Gesetz des Kampfes fordert von uns, daß wir auf tausend Nuancen verzichten und uns ganz auf eine Sache konzentrieren. Meine Aufgabe ist es jetzt nicht, zu erkennen oder Schönes zu formen, sondern zu wirken – soweit das in meinen Kräften steht. Es ist ein Opfer, welches ich bringe – das schwerste.« – Manchmal wurde er müde.
    Dann sagte er: »Es ekelt mich. Es hat auch gar keinen Sinn. Die anderen sind ja doch viel stärker als wir, bei ihnen sind alle Chancen. Es ist so bitter und auf die Dauer so lächerlich, den Don Quijote zu spielen. Ich habe Sehnsucht nach einer Insel, die so weit entlegen ist, daß auf ihr all dies, womit wir uns quälen, sich auflöst und keine Realität mehr hat …«
    »Die gibt es nicht!« rief ihn Barbara an. »Die gibt es nicht und soll es gar nicht geben, Sebastian! – Übrigens sind unsere Feinde gar nicht so entsetzlich stark. Sie fürchten sich sogar etwas vor uns. Jedes Wort – jede Wahrheit, die wir gegen sie sagen, tut ihnen ein klein bißchen weh und beschleunigt um eine Winzigkeit – um eine Winzigkeit, Sebastian! – ihren Untergang, der doch einmal kommt;« So zuversichtlich war sie, oder konnte sie doch scheinen, in den Augenblicken, da ihr Freund Sebastian müde wurde. »Denk dir«, erzählte sie ihm, »wir haben zwei neue Abonnenten in Argentinien, das ist doch fein,

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