Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
ein Zettel, auf dem Marie ihre Hausaufgaben notiert hatte, an Lea vorbei auf den Küchenfußboden. Was in aller Welt machte der auf dem Küchenregal? Lea bückte sich nach dem Papier. Der Zettel, den man bei Susanna van der Neer gefunden hatte, mit diesen Rechtschreibfehlern in der Notiz, von der es hieß, »dass es sich um eine Erwachsenenschrift handelt, dass der Zettel in Eile geschrieben wurde«. Lea erinnerte sich genau der Worte Benders.
Sören saß mit Pfeife und Zeitung im Wohnzimmer. Allerdings sah es so aus, als fielen ihm beim Leitartikel schon die Augen zu.
»Sören! Dieser Zettel!«
Sören zuckte zusammen. »Welcher Zettel?« Er schaute sie über den Rand der Zeitung an.
»Vielleicht ist der Zettel von dieser Madeleine aus Belgien geschrieben worden, die Frau van der Neer vor etwas warnen wollte?«
»Hm, wie kommst du auf die Idee?« Sören kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf.
»Doch, doch, das wäre möglich. Die Rechtschreibfehler, das kann leichter jemandem passieren, der Deutsch als Fremdsprache erlernt hat. Und dann besagte das graphologische Gutachten, dass der Verfasser unter Druck stand und in Eile geschrieben hat.«
»Das wäre denkbar.« Jetzt war Sören hellwach. Lea entnahm seiner Aufmerksamkeit, dass ihre Gedanken nicht so abwegig waren, wie sie befürchtet hatte.
»Diese Belgierin könnte doch von einer Gefahr gewusst haben, die in Verbindung mit dem ISG bestand. Und sie wollte Frau van der Neer warnen. Es gab sonst keine andere Verbindung zwischen den beiden.«
»Das kann man aber nicht genau wissen«, wandte Sören ein.
»Nein, aber es wären sonst zu viele Zufälle.« Lea ließ sich nicht abbringen. »Wenn herausgekommen ist, dass diese Madeleine etwas wusste, was das ISG in Verbindung mit unlauteren oder verbrecherischen Aktivitäten bringt, wäre es doch gut möglich, dass man ihrem Selbstmord nachgeholfen hat, um sie zum Schweigen zu bringen! Und genauso lief es dann bei Frau van der Neer.«
»Das setzt aber voraus, dass die Betreffenden etwas von dem Zettel für Frau van der Neer mitbekommen haben, was ich nicht für wahrscheinlich halte.« Sören dachte zu Leas Bedauern wieder einmal zu genau mit. Ihre wunderbare These bekam Risse.
»Stimmt schon, hm …«
Dieser Zettel mit den ungelenken Buchstaben »du must dich reten« war in Susanna van der Neers Wohnung gefunden worden; es gab keinen Hinweis darauf, dass irgendjemand etwas von seiner Existenz gewusst hatte. Lea stand einen Moment unschlüssig neben Sörens Sessel.
»Ich rufe trotzdem Kommissar Bender an. Vielleicht ist meine Theorie nicht perfekt, aber die Belgierin kommt als Verfasserin der Warnung in Betracht.«
Franz Bender war nicht zu erreichen. Lea hinterließ eine kurze Nachricht auf der Mailbox seines Handys und wählte dann die Nummer des Dienstzimmers. Was ihre Kontaktmöglichkeiten zur Mordkommission betraf, hätte Lea es nie für möglich gehalten, dass sie gleich fünf Telefonnummern zur Auswahl haben würde.
Sandra Kurz war noch im Büro. »Da wäre ein Zusammenhang möglich«, stimmte sie vorsichtig zu. Lea hätte sich einen weniger zurückhaltenden Kommentar gewünscht. »Vielen Dank, Frau Johannsen, für den Hinweis. Ich denke, das wird sich einfach überprüfen lassen. Die belgischen Kollegen werden uns sicher eine Schriftprobe von Frau Desault zufaxen können, die wir mit besagtem Zettel vergleichen können.«
Sandra Kurz wirkte nicht richtig bei der Sache, fand Lea, aber jedenfalls hatte sie ihre Vermutung weitergegeben. Man würde sehen.
»Hat Kommissar Bender schon Feierabend?«
»Nicht das, was man sich unter Feierabend vorstellt. Er bekam heute Nachmittag Zahnschmerzen, ziemlich heftig sogar, und musste sofort zum Zahnarzt.«
»Der Ärmste. Richten Sie ihm bitte Gute Besserung aus. Ihnen einen schönen Abend.« Lea legte auf. Wie lange sie wohl noch mit Sandra Kurz und Franz Bender zu tun haben würde?
Der Radiowecker störte Susanna aus tiefem Schlaf auf. Sie öffnete schwerlidrig die Augen und stand nach einer Weile langsam auf. Heute war der Tag, an dem sie alles in Ordnung bringen würde. Wie schön wäre es gewesen, an einem solchen Tag die Sonne zu sehen und nicht dieses einförmige Grau einer dichten Wolkendecke. Nun, vielleicht erheiterte sich ja noch der Himmel im Lauf des Tages, und dann würde sie gegen Abend einen ausgedehnten Spaziergang im Gonsenheimer Wald unternehmen. Die friedliche Atmosphäre inmitten der uralten Bäume und die besondere Stille, die keine
Weitere Kostenlose Bücher