Merani und die Schlange unter dem Meer
mich sicher nicht durchgelassen.«
»Denen hätte ich etwas anderes erzählt!« Merani löste sich aus Tasahs Armen und schnupperte. »Hast du zufällig Goldgarnelen hier? Weißt du, im Palast schmecken sie nicht so, wie Oma oder du sie machen.«
»Warte einen Augenblick! Ich werde schnell ein paar braten.« Tasah ließ Eimer und Besen stehen und eilte in die Küche. Unterdessen waren auch Argeela und Careedhal hereingekommen und sahen Merani fragend an.
»Ich dachte, du hast es eilig!«, sagte Careedhal.
»Hab ich auch! Aber für ein paar Goldgarnelen werden wir doch noch Zeit haben!« Merani ärgerte sich über sich selbst, weil sie, ohne nachzudenken, den »Blauen Fisch« betreten hatte. Halb missmutig, halb voller Vorfreude auf die Goldgarnelen betrachtete sie die Gaststube, die mit ihren Wandverkleidungen aus Holz, der sauberen Schanktheke und den festen Tischen und Stühlen behaglicher wirkte als der große Saal im königlichen Palast. Argeela ging einige Schritte weiter und zeigte auf einen dreibeinigen Schemel, neben dem ein Spinnrad stand.
»Was ist denn das?«
»Ein Hocker, auf dem ein kleines Kissen liegt«, antwortete ihr Bruder leicht genervt.
Merani lachte auf. »Das ist kein Kissen, sondern Timpo, Uromas Salasa. Ich frage mich, weshalb sie ihn hiergelassen hat? Sie trennt sich doch sonst nicht von ihm.«
Tasah streckte den Kopf zur Küche heraus. »Das arme Tierchen ist alt geworden und schläft die ganze Zeit. Als Merala es mitnehmen wollte, ist es aus dem Korb gekrochen und hat sich wieder auf den Schemel gelegt. Deine Uroma hat es nicht übers Herz gebracht, den Kleinen mit Gewalt von dort wegzuholen.«
»Armer Timpo!« Merani eilte zu dem Stuhl und strich dem Salasa über das blaue Fell.
»Sorge dafür, dass es ihm gut geht und er alles hat, was er braucht«, rief sie Tasah zu.
Diese nickte eifrig. »Das tue ich, keine Sorge. Timpo kriegt sein Fresschen, genauso, wie er es mag, und ich streichle ihn auch immer wieder. Er liebt das, wie du siehst.«
Während des kurzen Gesprächs hatte Merani Timpo weitergestreichelt, ohne auf ihn zu achten. Jetzt öffnete das Salasa die Augen, gähnte und streckte sich.
»Na, mein Kleiner?«, sprach das Mädchen ihn an. Da stand Timpo auf, kletterte an ihrem Arm hoch und setzte sich auf ihre Schulter. Seine Krallen sind immer noch so scharf wie früher, dachte sie, als die Spitzen sich in ihre Haut bohrten.
Tasah fiel vor Überraschung der Kiefer herab. »So etwas hat er schon seit Monaten nicht mehr gemacht!«
Merani wollte das Tierchen von ihrer Schulter nehmen und wieder auf den Schemel setzen, doch es bohrte seine Krallen noch tiefer in ihre Haut und stieß ein wütendes Fauchen aus.
»Timpo, ich bin auf dem Weg zum Hexenwald. Da kann ich dich nicht mitnehmen«, erklärte das Mädchen, doch der kleine Plagegeist legte sich auf ihrer Schulter gemütlich zurecht und begann leise zu schnarchen.
»Was soll ich mit dem Kerl nur machen?«, fragte Merani.
Argeela kicherte, während Tasah missbilligend den Kopf schüttelte. »Zum Hexenwald willst du? Das ist nicht gut!«
»Ach, der ist schon lange nicht mehr so schlimm wie früher. Bei meinem letzten Besuch auf Ilyndhir war ich fast jeden Tag dort!«, tatMerani die Warnung ab und fragte, wo die Goldgarnelen blieben. Sofort kehrte Tasah in die Küche zurück, und sie hörten kurz darauf, wie etwas in heißem Fett gebrutzelt wurde.
Unterdessen sah Careedhal sich Timpo näher an. Das Salasa war größer als eine Ratte, besaß aber keinen Schwanz. Dafür hatte es weitaus schärfere Nagezähne als die Schädlinge. Als das Tierchen kurz seine Augen öffnete und ihn musterte, konnte er erkennen, dass diese intensiv blau schimmerten, und er spürte die dichte Magie, die das Salasa erfüllte.
»Auf den ardhunischen Inseln gibt es keine Tiere dieser Art«, sagte er bedauernd.
»Meines Wissens gibt es Salasas nur auf Runia, doch die sind weiß wie die Runi selbst. Wo Timpo herkommt, weiß keiner. Die Uroma hat ihn vor sehr vielen Jahren auf einer ihrer Reisen gefunden. Ich glaube, er ist das älteste Tier auf allen Inseln mit Ausnahme von Runia.« Merani war nicht wenig stolz darauf, dass ihre Urgroßmutter ein eigenes Salasa hatte, denn das zeigte die Bedeutung, die sie unter all den Hexen und Magiern des Archipels besaß.
»Willst du Timpo mitnehmen?«, wollte Argeela wissen.
Merani lachte kurz auf. »Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben, sonst zerkratzt er meine Schulter noch stärker.«
»Die
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