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Merani und die Schlange unter dem Meer

Merani und die Schlange unter dem Meer

Titel: Merani und die Schlange unter dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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kein Jahrzehnt älter als dreihundertfünfzig Jahre. Zwar hatten auch die Dämonen des Westens immer jüngere Jahrgänge in den Großen Krieg geschickt, aber die Verwendung von unter tausendjährigen Eirun stellte die Ausnahme dar. Stand die Sache für die andere Seite etwa so verzweifelt, dass sie jetzt auch kleine Kinder an die Front schickten, oder besaß dieses Mädchen besondere Fähigkeiten, die es ihrem Volk geraten ließen, es mit einer kriegerischen Aktion zu betrauen? Aber man würde dochso ein Kind auf keinen Fall alleine losschicken. Gewiss hielten sich die Leute der Eirun irgendwo versteckt und warteten auf das, was sich tun würde.
    Mit einem Mal wandte sie sich ihm zu. »Ich habe bemerkt, dass du wach bist, Schwarzer. Bleib ganz ruhig liegen, dann hast du die wenigsten Schmerzen. Leider kann ich dir nicht helfen, denn ich vermag dich nicht zu berühren.«
    Hat sie wirklich helfen gesagt?, fragte sich Tharon. Er glaubte, die Eirun des Westens gut genug zu kennen, um zu wissen, dass sie dieses Wort den Schwarzen gegenüber niemals verwenden würden. »Bin ich dein Gefangener?«
    Hekendialondilan begann trotz ihrer Anspannung zu glucksen. »Wenn du es so sehen willst. Eigentlich habe ich dich aus dem Wasser geholt, um dich vor dem Ertrinken zu bewahren.« Dabei hob sie ihren rechten Arm, so dass Tharon die langsam verblassenden Reste der Brandwunden sehen konnte, die sie sich dabei zugezogen hatte.
    Bei dem Anblick begriff der Magier, dass das weiße Feuer in seinem Nacken tatsächlich von seiner Rettung durch eine weiße Eirun stammte. Es war unfassbar, aber das Spitzohrmädchen hatte Schmerzen in Kauf genommen, um sein Leben zu bewahren. Bewusstlos und inmitten eines Gebietes rasch wechselnder magischer Strömungen wäre es ihm trotz seiner Fähigkeiten kaum möglich gewesen, sich selbst zu versteinern. Doch selbst wenn es ihm gelungen wäre, hätte er im ewigen Dämmerschlaf gefangen auf dem Grund des Meeres gelegen. Er fragte sich, welchen Grund dieses Kind gehabt hatte, ihn aus dem Wasser zu ziehen. Hatten es oder seine Freunde ihn erkannt? Aber in diesem Fall hätten sie ihn sofort gefesselt und in Silber geschlagen. Da er nicht wusste, was er mit dieser skurrilen Situation anfangen sollte, beschloss er, sich vorerst als Gefangener anzusehen.
    »Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Daar«, sagte er und nannte dabei jenen Namen, unter dem er als scheinbar harmloserWanderer Aufklärung in Gebieten zwischen den Fronten betrieben hatte. Seinen richtigen Namen zu sagen wagte er nicht, denn der war im Westen nur allzu gut bekannt.
    »Mein Name ist Hekendialondilan«, erwiderte das Eirunmädchen.
    »Das ist ein langer Name und lautet in etwa ›Schwebt über den Ufern der westlichen Seen‹«, erwiderte Tharon nachdenklich. Wie es sich anhörte, benutzte dieses Mädchen einen recht archaischen Dialekt. Während er mit seinen Fähigkeiten gegen die Schmerzen ankämpfte, die in ihm tobten, wies er mit seiner Linken auf Tirah.
    »Wie geht es ihr? Ist sie schwer verletzt?«
    Das Eirunmädchen schüttelte den Kopf. »Nein, sie ist nur bewusstlos und hat immer noch Wasser in den Lungen, das ich herausholen will, bevor sie wieder erwacht.«
    Solch eine Hilfsbereitschaft war Tharon von den Dämonen des Westens wirklich nicht gewohnt. Die Eirun, die er kannte, hätten Tirah und ihm silberne Fesseln angelegt und dann die eigenen Verletzungen geheilt. Um die Wunden ihrer Gefangenen kümmerten sich diese Leute gewöhnlich nicht.
    »Woher stammst du?«, fragte er und beantwortete die Frage für sich gleich selbst. Sie musste von dem Eirunstützpunkt kommen, den sie während der Fahrt etwas weiter im Norden lokalisiert hatten. Es war ihm schleierhaft, wie es den Dämonen des Westens gelungen sein mochte, sich so weit im Osten der Welt festzusetzen. Anscheinend war der Krieg von violetter Seite nicht mit jener Sorgfalt geführt worden, die nötig gewesen wäre. Mit einem bitteren Gefühl fragte er sich, ob die Verhandlungen über einen Waffenstillstand, die derzeit geführt wurden, nur eine Finte ihrer Feinde darstellten. Möglicherweise bereiteten deren Heere schon die letzte große Offensive vor, um die Reiche des Ostens zu vernichten.
    »Du denkst sehr viel und sehr stark, Daar. Meine Leute wollen dir und den Deinen wirklich nichts tun. Wir verlangen nur, dass ihr uns und unsere Freunde in Ruhe lasst.«
    Hekendialondilans Bemerkung brachte Tharon dazu, seine Gedanken besser abzuschirmen. Die Kleine besaß

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