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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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sich in die Lüfte.
    Noch ehe die Kugeln die Stelle durchschlagen, an der wir gerade noch gestanden haben, und die Luft sich vor Blei und Qualm blau färbt, haben wir den Narita International – und Tokio – weit hinter uns gelassen.

Verzweifelt wehre ich mich gegen Uriels eisernen Griff, aber er demonstriert mir seine Macht und lässt mich erst los, als er selbst es für richtig hält. Dann zieht er den bewusstlosen Ryan fester in seine Arme.
    Uriel schweigt lange, während wir höher und höher steigen. Wir schießen direkt in den Himmel hinauf, Seite an Seite, fliegen hoch über der Erde, in stürmischen, eisigen Sphären. Das schwache Morgenrot leuchtet in unserem Rücken, als zögen wir einen Schleier aus Licht über die Welt, als wären wir ihre Sonnen.
    Wir sind jetzt so weit oben, dass die Krümmung der Erdkugel erkennbar wird, und ich höre das Brausen, mit dem der Planet sich dreht. Wie ein sich langsam drehendes Riesenrad.
    „Wir sind zu hoch!“, sage ich scharf.
    Uriel fliegt schweigend weiter, lässt seine langen dunklen Haare hinter sich herflattern. Er ist riesig im Vergleich zu mir, immer noch geflügelt, also kampfbereit. Seine Schönheit raubt mir den Atem. Er ist gebaut wie eine mythische Göttergestalt und ich kann kaum den Blick von ihm abwenden.
    „Du bringst Ryan noch um, wenn du so hoch fliegst“, protestiere ich mit brüchiger Stimme. „Er rührt sich schon die ganze Zeit nicht mehr, vielleicht ist er tot. Wir müssen ihn hinunterbringen. Gib ihn mir!“
    Uriel wirft mir einen unergründlichen Blick zu, dann schaut er wieder nach vorne zum Horizont. Er hält Ryan weiter von mir fern.
    „Der Sterbliche ist jede Sekunde in Lebensgefahr, solange er mit dir zusammen ist“, sagt er schließlich. „Lass ihn schlafen, bis es Zeit wird, ihn zu wecken. Dann ist es nicht so schlimm für ihn. Bei mir ist er gut aufgehoben.“
    Uriel will also nur verhindern, dass ich eine Verzweiflungstat begehe, womöglich mit Ryan durchbrenne, sodass wir für alle Ewigkeit auf der Flucht wären, vor beiden Welten. Eine schreckliche Vorstellung und trotzdem bin ich ernsthaft in Versuchung. Aber wir wären nirgends mehr sicher, und das kann ich Ryan nicht antun.
    „Du vertraust mir immer noch nicht“, sage ich bitter, fast wie zu mir selbst. „Und warum solltest du auch …“
    Uriel antwortet nicht, stattdessen legt er an Tempo zu, schießt durch den heller werdenden Himmel. Ich kann kaum mithalten, weil ich noch unter den Nachwirkungen des Dämonengifts leide.
    „Das waren Nephilim“, ruft Uriel plötzlich über die Schulter, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Und du hast Glück gehabt. Ryan hat sie ursprünglich angezogen, aber auf dich waren sie anscheinend nicht gefasst. Sie konnten dich nicht einschätzen und das hat sie gebremst. Normalerweise sind sie tödlich, wenn sie einen Ahnungslosen überfallen.“
    Ich überhole ihn, aber nur weil er mich lässt.
    „Gut, dass du da warst“, sage ich.
    „Ich hatte nichts zu verlieren, im Gegensatz zu dir.“ Er spricht so leise, dass ich ihn kaum verstehe. „Du hast dich so verändert“, fügt er hinzu und betrachtet stirnrunzelnd meine menschliche Tarnung. „Innerlich wie äußerlich, ich erkenne dich kaum wieder.“
    „Du hast Recht. Zwischen der Mercy von damals, und der, die ich jetzt bin, liegen Welten“, erwidere ich. „Was mir in all den Jahren geschehen ist, hat mich zu dem gemacht, was ich bin.“
    Ohne Vorwarnung schrumpfen Uriels Flügel zusammen. „Fürs Erste sind wir in Sicherheit“, erklärt er und wirft mir einen Seitenblick zu. „Kein Dämon kann uns in dieser Höhe lange behelligen. Sosehr sie sich nach der Sonne sehnen, besteht doch keine Hoffnung für sie, dass sie sie jemals erreichen. Ohne ihn“, fügt er mit einem Blick auf Ryan hinzu, der still in seinen Armen liegt, „wäre ich bereits in den Himmelsregionen über Huayna Picchu und würde in den mächtigen alten Ruinen nach Gabriel suchen. Wenn wir Cusco erreichen, müssen wir uns trennen. Dein Sterblicher ist unter seinesgleichen sicherer.“
    „Lass uns doch wenigstens bei der Suche helfen“, flehe ich ihn an.
    Uriel wirft mir einen amüsierten Blick zu. „Damit du dir noch ein wenig Zeit mit ihm erkaufen kannst? Wohl kaum, Schwester.“
    „Ich habe in nichts eingewilligt und Ryan auch nicht“, stoße ich heftig hervor. „Noch ist nichts entschieden.“
    Uriel schüttelt den Kopf. „Aber ich habe entschieden.“ Seine Stimme hallt schneidend in der

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