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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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wie Funksender. Man kann kaum einen klaren Gedanken fassen, weil die ganze Luft von ihrem Lärm erfüllt ist. Eigentlich müsste mir das Angst machen, aber zum ersten Mal seit langer Zeit bleibe ich vollkommen ruhig.
    „Vincenzo!“, sage ich laut und der junge Mann zuckt zusammen und wird kreidebleich, als er seinen Namen hört. „Du musst uns gehen lassen.“
    Seine Augen weiten sich und er brüllt: „Unmöglich, Signora! Nehmen Sie die Hände hoch!“
    Ohne ihn aus den Augen zu lassen, ziehe ich Ryan hoch. Der Stuhl scharrt leicht, als er aufsteht und sich langsam umdreht. Vincenzo schaut mit gehetzten Blicken von mir zu Ryan.
    „Sie kommen hier nicht weg“, stößt er ängstlich hervor und kommt näher. „Nehmen Sie die Hände hoch, oder ich bin gezwungen, auf Sie zu schießen. Ich werde Sie nicht töten, versteht sich“, fügt er beinahe flehentlich hinzu, „nur außer Gefecht setzen.“
    Ich mache noch einen Schritt rückwärts, die Augen unverwandt auf sein Gesicht gerichtet, weiche immer weiter zurück. Mit einer Hand halte ich Ryan am Jackenärmel fest.
    „Was hast du vor?“, murmelt er entsetzt. „Der Typ hat eine Knarre. Du weißt doch, was letztes Mal passiert ist.“
    „Ja, aber das war Lela“, sage ich grimmig. „Uns wird das nicht passieren. Du musst mir vertrauen, Ryan. Du musst alles machen, was ich dir sage.“
    Bevor er antworten kann, dringt hektisches Rauschen aus einem schwarzen Gerät an Vincenzos Gürtel und ich fange das Wort localizzato auf.
    Vincenzo fummelt an dem Empfänger herum und seine Waffe schwankt leicht. Ryan und ich weichen noch weiter zurück, solange er abgelenkt ist.
    „Gleich ist es so weit“, sage ich. „Sobald du die Glaswand hinter dir spürst, gehst du nach rechts und dann zu der Ecke dort – egal was passiert, auch wenn wir getrennt werden.“ Aus dem Augenwinkel sehe ich Ryan nicken. „Wartest du auf mich?“
    Ryans Blick schnellt zu mir herum und ich erinnere mich plötzlich, dass das die letzten Worte waren, die ich als Lela zu ihm gesagt habe.
    Ein zweiter Uniformierter stürmt jetzt durch die Tür, die Vincenzo offen gelassen hat. Ein großer, stämmiger braun gebrannter Typ mit bulligen Schultern und Armen, die wie Rinderkeulen aussehen. In einer schwarz behandschuhten Hand hält er eine halb automatische Waffe, das gleiche Fabrikat wie die von Vincenzo. Verächtlich stößt er Vincenzo beiseite und knurrt: „Auf den Boden, los, sofort auf den Boden! Oder ich erschieße zuerst Ihren Freund und dann Sie.“
    Ich lasse seine Gedanken durch mich hindurchströmen und weiß sofort, dass er es ernst meint. In seiner Welt lassen sich alle Konflikte mit Waffen lösen, mit Schlägen, mit sinnloser Gewalt. Der Wächter wird zuerst Ryan abknallen, weil er der Größere von uns beiden ist und er ihn als gefährlicher einschätzt. Dann mich.
    Ryans Finger, die meine umklammern, werden feucht vor Angst. Ein unbändiger Zorn steigt in mir auf und ich schubse Ryan hinter mich, ohne seine Hand loszulassen.
    „Wir gehen jetzt“, sage ich laut und langsam. „Wir wollen keinen Ärger. Wir gehen einfach und Sie werden uns nie wiedersehen.“
    Der zweite Wachmann mustert uns kalt. Dann richtet er ohne Vorwarnung sein Gewehr nach oben und drückt ab. Ein Schuss in die Luft, der einen Schwarm Tauben aufscheucht, die in alle Richtungen davonflattern. Der Schuss ist so laut, dass er die Alarmanlage übertönt und lange nachhallt. Bald wird es hier von Uniformierten nur so wimmeln.
    „Ryan!“, sage ich scharf und drehe mich zu ihm um. „Geh jetzt!“
    Es passt ihm nicht, dass er mich zurücklassen soll, das kann ich an seinem Blick, an seiner verkrampften Haltung ablesen. Doch dann lässt er meine Hand los und sprintet tief geduckt in die Ecke der Terrasse. Ich bewege mich langsam in dieselbe Richtung, ohne die beiden Wachmänner auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
    „Runter!“, brüllt der zweite Wachmann wütend. Seine Nackenmuskeln sind gespannt und an seinen Schläfen treten die Adern hervor. Er richtet sein Gewehr auf Ryan, dann auf mich. Er weiß nicht, auf wen er zuerst schießen soll. „Runter!“
    Aus dem Augenwinkel nehme ich die Umrisse meiner linken Hand wahr … ein plötzliches Flackern. Ich führe sie zu meinem Gesicht, und da setzt der Schmerz ein.
    Eine silbrige Flamme züngelt über die Haut, hüllt meine Finger ein, und eine Stimme in mir, mein innerer Dämon, wispert: Cave . Hüte dich.
    Ich blicke wieder zu dem bulligen Wachmann

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