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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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halten Abstand, verbergen unser innerstes Wesen voreinander. Weil wir mit Selbsterkenntnis erschaffen wurden, sind wir so vorsichtig, so wenig bereit, die Kontrolle abzugeben, uns gehen zu lassen. Und natürlich erfahren wir selten, was im Geist von anderen Elohim vorgeht.
    Feuer züngelt an meinen Nervenbahnen entlang. Nicht einmal die Küsse des Teufels haben mich so entflammt.
    Plötzlich reißt Ryan die Augen auf, schnappt nach Luft und weicht zurück. „Du bist so heiß“, keucht er.
    „Und das ist … gut, oder nicht?“, frage ich verwirrt.
    Ryan schüttelt den Kopf, starrt mich mit großen Augen an. „Nein, heiß ist gar kein Ausdruck – du glühst richtig. Als würde man eine Flamme küssen. Was nicht heißt, dass ich mich beklagen will“, fügt er hastig hinzu. „Es macht die Sache nur ein bisschen … kniffliger.“
    Wir schauen einander stumm in die Augen. Nur wenige Zentimeter trennen uns, aber es könnten genauso gut Lichtjahre sein.
    „Das Essen kommt gleich!“, ruft Gia und mir wird bewusst, dass wir ganz vergessen haben, die Tür zu schließen. Grinsend lehnt sie im Türrahmen. „Na, ihr Turteltäubchen?“
    Ryan stöhnt ärgerlich auf, wirft sich auf den Rücken und schlägt sich die Hände vors Gesicht. Ich sehe die sanfte Röte, die sich unter seinen gespreizten Fingern ausbreitet, und einen Ansatz von Bartstoppeln auf seinem Kinn.
    „Gia“, knurre ich. „Hau ab! Wir sind beschäftigt.“
    „Ach, muss das schön sein“, frotzelt Gia. „Junge Liebe – so gnadenlos hoffnungsvoll, so zum Kotzen!“
    Dann klingelt es an der Eingangstür der Suite. Ryan nimmt seine Hände vom Gesicht und schaut zur Decke hoch. „Was denn jetzt schon wieder?“, seufzt er.
    Gias Gesicht wird ernst. „Das ist Tommy. Er bringt extra ein paar Klamotten für dich vorbei, die du anprobieren kannst. Also, Ryan, lass Mercy jetzt in Ruhe und beweg deinen Arsch ins Bad. Du hast es bitter nötig. So wie du aussiehst, fasst dich sowieso keine Frau an, die noch alle Tassen im Schrank hat. Wenn ich zurückkomme, sitzt du bis zum Hals im Badewasser oder du kannst was erleben.“
    Ryan stößt einen genervten Schrei aus, schleudert das zerwühlte Bettzeug von sich, schnappt sich seine Jeans von dem Schränkchen und verschwindet im Badezimmer.
    „Zum Niederknien, der Typ“, sagt Gia leichthin auf dem Weg nach draußen. „Knackig an den richtigen Stellen. So was hast du gar nicht verdient.“
    Einen Augenblick fange ich ein Gefühl von ihr auf, das nach Einsamkeit schmeckt, oder nach Neid, aber im nächsten Moment hat sie sich wieder fest im Griff.
    Ich setze mich auf, umschlinge meine Knie. „Er hat mich nicht verdient, meinst du wohl.“
    Gia dreht sich abrupt um, will protestieren, überlegt es sich aber schnell anders, als sie die Angst in meinem Gesicht sieht und die wahre Bedeutung meiner Worte erfasst.
    „Ich bin schwach, Gia“, sage ich leise. „Sonst würde ich es nicht einfach weiterlaufen lassen, bis es mir völlig entgleitet …“
    „Es ist keine Schwäche, wenn du dir mal ein bisschen Glück gönnst“, erwidert sie sanft. „Das ist nur menschlich.“
    Ich verdrehe die Augen.
    „Ähm, ja, okay“, erwidert Gia hastig. „Ich hab schon verstanden. Ich hol jetzt das Essen.“

Ohne anzuklopfen, stürmt Tommy herein. Er trägt eine Fliegerjacke aus Leder, an der alles ein bisschen übertrieben wirkt: der überdimensionierte Lammfellkragen und die Ärmelaufschläge, die obligatorischen Schnallen und unzähligen Taschen. Dazu hautenge schwarze Lederhosen, schwarze Schnürstiefel und eine schwarze Strickmütze und über seiner Schulter hängt eine riesige Segeltuchtasche.
    „Na, wo ist der Patient?“, ruft er mit seiner hellen Stimme.
    Er streift mich flüchtig mit seinem Blick, dann marschiert er zielstrebig zur Badezimmertür und reißt sie auf.
    Ryan brüllt: „Was zum …?“, und ich höre ein lautes Schwappen, als er hastig untertaucht.
    „He, und das soll ich verstecken?“, ruft Tommy laut zu Gia hinüber. „Ihr müsst verrückt sein.“
    Er stellt seine Tasche auf den Marmorfliesen ab, zieht die Mütze von seinem kurz geschnittenen dunkelblonden Haar und stopft sie in eine seiner Jackentaschen. Dann knöpft er die Jacke auf und wirft sie über einen vergoldeten Schemel neben dem Marmorwaschbecken. „Ist verdammt heiß hier drin. Oder kommt mir das nur so vor?“, bemerkt er anzüglich.
    Auch bei seinem restlichen Outfit hat Tommy nichts dem Zufall überlassen: Über einem

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