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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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Ich starre auf meine Schuhspitzen und sage möglichst beiläufig: „Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen das gern abnehmen. Ich habe sowieso in der Gegend zu tun. Und Bianca kennt mich. Wir haben erst vor ein paar Tagen miteinander geredet.“
    Als ich aufschaue, wechselt Juliana einen Blick mit Gia. „Können Sie sich für diese junge Frau verbürgen?“, fragt sie müde. „Kann ich mich darauf verlassen, dass sie die Kleider auch wirklich in der Villa Nicolin abliefert und Bianca überreicht? Die Stücke sind jetzt unbezahlbar, aber ich würde sie um nichts in der Welt noch einmal anfassen wollen.“
    Gia zögert einen Augenblick, als sie in Julianas verweintes Gesicht blickt. „Ja, natürlich“, sagt sie schließlich. „Sie ist …“
    „Ich halte mein Wort“, werfe ich ein. „Wenn ich etwas verspreche, wird es auch erledigt. Ohne Wenn und Aber. Darauf kannst du dich verlassen.“
    Juliana richtet ihre rot geweinten Augen auf mich. „Dann bin ich froh und dankbar, wenn Sie mir diese Mühe abnehmen.“ Sie wendet den Blick von uns ab und schaut aus den riesigen Fenstern. „Kümmern Sie sich bitte darum?“, sagt sie zu Gia. „Sorgen Sie dafür, dass sie jede Hilfe bekommt, die sie braucht, und natürlich werden wir doppelt und dreifach für alle Auslagen aufkommen.“
    Gia nickt und ruft durch das Zimmer: „Carlo!“
    „Miss?“, sagt er und erhebt sich aus dem niedrigen, zerbrechlichen Louis- XV .-Sesselchen neben der Tür, in das er sich irgendwie hineingequetscht hatte.
    „Einer der Wagen muss heute ausschließlich Mercy zur Verfügung stehen“, bellt Gia. „Klären Sie das bitte mit Gianfranco. Das Atelier Re übernimmt die Kosten. Mercy bricht auf, sobald die Kleider eintreffen und ihr Freund eine anständige Mahlzeit bekommen und ein Bad genommen hat.“
    „Einfache Fahrt oder hin und zurück?“, fragt Carlo überrascht und fährt sich mit seiner großen Hand durch die dichten, kurzen schwarzen Locken.
    Gia schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, und ich sage: „Nur einfach. Wenn der Chauffeur uns absetzt, kann er gleich weiterfahren. Er muss nicht warten.“
    Carlo wählt bereits eine Nummer auf dem Haustelefon, aber dann blickt er noch einmal zu mir auf. „Und das Ziel, Miss?“, fragt er. „Wo soll der Fahrer Sie hinbringen?“
    „Moltrasio“, erwidere ich und Carlos olivfarbener Teint wird blass. „Zur Villa Nicolin.“
    Carlo schaut fragend zu Gia hinüber, die mit einem knappen Nicken antwortet und dann auf dem Display ihres Telefons herumtippt. Auf Gia, das Organisationstalent, ist eben Verlass.
    Vorsichtig beuge ich mich über den schlafenden Ryan. Seine Augenlider flattern. Irgendjemand hat ihm seine Lederjacke und seine Jeans ausgezogen und über ein Schränkchen neben dem Bett geworfen. Er hat nur noch die zwei langärmligen T-Shirts an, die er schon in Australien getragen hat, ein blaues und ein graues, die jetzt beide am Ausschnitt ein bisschen schmuddelig sind. Ich würde gern sein Schlüsselbein mit dem Finger nachzeichnen, aber das darf ich nicht, also flüchte ich schnell ins angrenzende Marmorbad.
    Ich kauere mich vor die wuchtige Steinwanne, die den ganzen Raum beherrscht, und lasse ihm ein Bad einlaufen. Ich kippe ein bisschen Badesalz und Badeschaum aus den kleinen Designer-Flacons hinein, die neben einer riesigen Vase mit weißen Blumen auf dem Sims stehen. Gedankenverloren halte ich meine Finger unter das laufende Wasser, bis meine Hand zu Dunst wird. Das Wasser läuft einfach durch sie hindurch, und ich merke, dass es mir immer noch leichter fällt, zu einem Nebelwesen zu verschwimmen, als die Menschengestalt aufrechtzuerhalten, die ich angenommen habe. Aber der Schwindel und die Angst zu fallen lassen immer mehr nach. Ich verdichte meine Hand wieder, bis das Wasser an ihrer festen, glatten Oberfläche abläuft.
    „Mercy?“, ruft Ryan unsicher.
    Ich reiße mich von meinen Wasserspielen los und springe auf. Ein strahlendes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich Ryan sehe, und ich kann und will es einfach nicht unterdrücken. Ryan grinst selig zurück.
    „Das brauchst du doch nicht“, sagt er leise, als ich an sein Bett trete. „Mir ein Bad einlassen, meine ich.“
    Ich setze mich neben ihn auf den Bettrand und antworte fröhlich: „Ja, aber ich mach’s gern, verstehst du? Obwohl ich selber nicht weiß, warum. Ich bin nämlich sonst die größte Egoistin im ganzen Universum. Das kann dir jeder bestätigen.“
    Ryan seufzt, rückt zur

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