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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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Sprüche-T-Shirt trägt er eine maßgeschneiderte Lederweste, die mit Hunderten von glitzernden Sicherheitsnadeln gespickt ist.
    Ryan funkelt mich durch die Tür an. „Schaff mir den Typ hier vom Hals“, brüllt er.
    „Aber wieso denn? Dein Umstyling hat doch noch nicht mal begonnen“, sage ich, schlendere zum Bad hinüber und stelle mich hinter Gia und Tommy. „Das hier ist doch gar nichts. Sei froh, dass kein Ganzkörperwaxing auf dem Programm steht.“
    Tommy schaut mich prüfend an. „Kenne ich dich?“, fragt er. „Ich glaub nicht, dass ich schon mal mit dir gearbeitet habe, aber irgendwie kommst du mir bekannt vor. Ich weiß nur nicht, wo ich dich hintun soll.“
    Er schürzt die Lippen und mustert mich von Kopf bis Fuß, als läge des Rätsels Lösung in meiner Wadenform oder der Art, wie ich dastehe.
    „Vielleicht weil ich ein Allerweltsgesicht habe“, kontere ich. „Also, lass mal sehen, was du in deinem Wunderbeutel hast.“
    Tommy kniet sich auf den Boden und kramt ein Haarfärbemittel nach dem anderen aus seiner Tasche hervor. „Ihr habt die Wahl“, sagt er. „Wir könnten ihm ein paar Strähnchen reinmachen. Oder wie wär’s mit Aschblond? Oder einem dunklen Rotbraun? Sieht superedel aus. Silber ist out und würde ihn nur blass machen, genau wie Schwarz. Wirkt zu gothicmäßig bei seiner hellen Haut. Zweifarbig wäre übrigens auch eine Möglichkeit, so wie bei Juliana. Radikal, aber anders.“
    „Nein!“, schreit Ryan, der immer noch in einem Schaumberg sitzt. „Was soll das überhaupt alles? Ihr fasst meine Haare nicht an, damit das klar ist!“
    Tommy ignoriert ihn. „Ich hab Perücken, Gesichtshaare, Wimpern, falsche Goaties, alles, was dein Herz begehrt – plus einer ganze Wagenladung Männer-Make-up, Mützen, Hüte, Brillen und so weiter.“ Er wirft Gia einen vorwurfsvollen Blick zu. „Du hast mir ja nichts verraten am Telefon. War ein Riesenaufstand, bis ich die Finanzabteilung dazu gebracht habe, die Kleider herauszurücken und eine Bestätigung aufsetzen zu lassen, dass die Stücke ein Geschenk des Ateliers Re sind. Domenica hat fast einen Herzschlag gekriegt, als ich ihr diesen Teil diktiert habe.“
    „Kann mir vielleicht mal jemand erklären, was hier vorgeht?“, blubbert Ryan. „Ich bin auch noch da. Und meine Antwort ist Nein – zu allem.“
    Ich betrachte die Sachen, die am Boden verstreut liegen, und mein Blick fällt auf ein Instrument mit einer scharfen, gezackten Klinge und einem Elektrokabel am anderen Ende.
    „Färben dauert zu lange“, sage ich. „Könnt ihr die Haare nicht einfach abschneiden? Superkurz?“
    „Klar kann ich das“, erwidert Tommy stirnrunzelnd. „Aber ich weiß nicht. Wäre doch jammerschade.“
    „Mercy, was hat das alles zu bedeuten?“, fragt Ryan unsicher, denn an unseren Gesichtern kann er ablesen, dass das hier kein Spaß ist.
    „Luc trägt seine Haare meistens lang“, sage ich leise und weiche Ryans Blick aus. „Also wenn er nicht gerade in einer Modenschau aufkreuzt und im Dreiteiler und mit Designerstoppeln in der ersten Reihe sitzt. Ein Kurzhaarschnitt wäre super, Tommy, vielen Dank.“
    Ich bücke mich und inspiziere die Hüte und Mützen, die verstreut auf dem Boden liegen. Ich entscheide mich für eine dunkelgraue Strickmütze und eine unauffällige marineblaue Basecap mit einem dezenten Logo drauf. Als ich aufblicke, sehe ich, dass Ryan ganz blass wird, weil ihm plötzlich aufgeht, was das alles zu bedeuten hat.
    „Es muss schlicht sein, Tommy“, murmle ich. „Wir sind sowieso dauernd unterwegs. Und er darf nicht auffallen. Außerdem brauchen wir etwas, was sein komplettes Gesicht unkenntlich macht, wenn wir schon seinen Gang, seine Art zu reden, seine Schuhgröße, seine Handform oder Körpergröße nicht ändern können.“
    Tommy und Gia wechseln einen Blick miteinander, dann sagt Tommy: „Na ja, da gibt’s eigentlich nur eins.“ Er hebt eine rechteckige dunkle Plastikbrille mit Schildpattmuster und Fensterglas auf, und eine Sonnenbrille mit blickdichten schwarzen Gläsern, die wie Käferaugen aussehen. „Wenn das bei Clark Kent funktioniert hat“, murmelt er und richtet sich wieder auf, „warum nicht auch bei ihm? Beide Gestelle sind so groß, dass sie sein Gesicht komplett verdecken. Die Brillen werden von den Leuten als Erstes wahrgenommen. Dazu noch ein Hut, und er ist einfach ein Nullachtfünfzehn-Typ mit schlechtem Klamottengeschmack.“
    „Das muss reichen“, murmle ich, greife nach der

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