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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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„Gabriel?“, wispere ich.
    „Dein großer Freund und Beschützer, ja“, erwidert Uriel leise. „Er wurde von einer Dämonenschar über der alten Bergfestung Machu Picchu entführt, einem Ort, der für seine finsteren Rituale berühmt ist – der seit alters her nach Blut und Gewalt riecht. Gabriel wurde unter die Erde verschleppt, und ich habe die Ruinen zwei Tage lang gründlich abgesucht, ohne eine Spur von ihm zu finden. Dabei habe ich seine Gegenwart deutlich gespürt“, fügt er ratlos hinzu.
    „Wir müssen ihn da rausholen“, sage ich zitternd.
    Uriel schüttelt den Kopf. „Mir allein fällt die Aufgabe zu, Gabriel zu befreien. Jehudiel und Selaphiel sind fort, Raphael ist verschollen, und wir wissen nichts von Michael, Barachiel und Jeremiel. Ich kann hier nicht länger herumsitzen und auf Nachrichten oder Verstärkung warten. Aber ich werde ein Zeichen hinterlassen, wohin ich gegangen bin.“ Seine Stimme wird so leise, dass ich ihn kaum verstehe. „Ich werde Gabriel finden, und wenn ich jeden Stein einzeln umdrehen muss. Das schwöre ich.“
    Er schweigt einen Augenblick, legt seine schimmernden Hände auf meine Schultern und blickt in mein Gesicht, das seinem so ähnlich ist. „Du aber bist nicht mehr sicher in dieser Welt. Du bist auf dich allein gestellt, und wir können dir nicht länger Schutz gewähren, da wir ja selbst in Bedrängnis sind. Du musst also tun, was uns allen hilft – du musst diese Erde verlassen, so wie Selaphiel, und dich endgültig vor Luc in Sicherheit bringen. Und zwar schnell. Noch in dieser Nacht.“
    Mir wird kalt, als Uriel meine eigenen Gedanken ausspricht. Ich hatte auf einen Aufschub gehofft, obwohl ich doch wusste, dass die Zeit von Anfang an gegen mich gearbeitet hat.
    Ich schüttle wild den Kopf und höre mich wie aus weiter Ferne sagen: „Aber es ist zu früh. Nicht heute Nacht. Lass mich wenigstens noch mitkommen und Gabriel …“
    „Unser Schicksal steht auf Messers Schneide“, fällt Uriel mir herrisch ins Wort. „Du hättest niemals fallen dürfen. Der Garten Eden war dir nie bestimmt. Die Welt beginnt zu erwachen, so wie du. Gerade wurde Kangra, ein Ort in Indien, von einem schlimmen Erdbeben zerstört. Überall auf der Welt wurden verheerende Beben gemeldet – in Ning Xia und Quetta, Erzincan und Asgabat, Messina, Edinburgh und Sumatra. Die Erde gerät in Bewegung, Schwester, sie steht in Flammen.“
    Ich schüttle immer noch den Kopf und Uriels Stimme wird schärfer. „Du musst doch gesehen haben, dass das Meer um die Izu-Inseln sich mit Magma füllt. Das alles deutet darauf hin, dass Jeremiel, Barachiel und Michael besiegt wurden und sie Luc nicht länger im Zaum halten können. Und deshalb hat er seinen alten Eroberungsplan in Gang gesetzt, den Krieg, der alle Kriege beendet. Die Hölle kommt, Schwester, und du bist unsere schwerste Bürde, unsere Achillesferse. Geh jetzt oder du stürzt uns alle ins Verderben.“
    „Aber ich kann nicht einfach gehen“, flüstere ich und sehe Gabriel, den Flammenhaarigen, den Smaragdäugigen, König der Könige, in Feuerketten gelegt, vom wahren Licht getrennt. Und natürlich Ryan, der allein auf einem fremden Flughafen wartet, unter lauter Fremden.
    Ich warte auf dich , hat Ryan mir einmal gesagt. Bis in alle Ewigkeit, wenn es sein muss.
    Und ich glaube ihm. Er wird daran zerbrechen, wenn ich nicht zurückkomme. Wenn er nie erfährt, was aus mir geworden ist oder was er mir bedeutet.
    „Du verstehst das nicht“, sage ich angstvoll. „Ich bin nicht allein. Jetzt nicht mehr. Ich kann meine Freunde nicht im Stich lassen.“
    Mit ungewohnt sanfter Stimme erwidert Uriel: „Vergiss ihn, Mercy, so wie er dich mit der Zeit vergessen wird. Das Leben der Sterblichen ist doch nur ein flüchtiger Moment in unserem, und selbst der Schmerz ist vergänglich.“
    „Aber ich liebe ihn. Und er wartet auf mich. Ich kann nicht gehen, ohne ihm Lebewohl zu sagen. Erlaube mir wenigstens, dass ich Abschied von ihm nehme und ihm sage, wie sehr ich ihn liebe. Und wie leid es mir tut.“ Ich zittere jetzt am ganzen Körper.
    Uriel umfasst meine Schultern noch fester. „Aber verstehst du denn nicht, Mercy? Genau das hat uns doch erst ins Elend gestürzt – deine übermäßige Liebe, dein fataler Hang, zu begehren, unerlaubte Wünsche zu hegen. Willst du Gabriel unnötig leiden lassen, nur um eines Sterblichen willen? Er ist nichts für dich. Nichts für unseresgleichen.“
    „Aber Ryan ist alles für mich“, flehe ich,

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