Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
hinterlässt du eine große Spur der Verwüstung«, hatte
Bledsoe bemerkt, als er zur Frühschicht eingetroffen war. »Jeder, mit dem du
sprichst, ist kurz darauf mausetot.«
»Leck mich, Bledsoe«, hatte Bentz angriffslustig
erwidert. »Glaubst du im Ernst, ich wäre so blöd, Lorraine umzubringen und
dann die Polizei zu rufen?«
»Ich glaube bloß, dass deine Anwesenheit Unheil
bringt, das ist alles«, ruderte Bledsoe zurück. Gerade als Bentz die
Polizeistation verlassen wollte, war Dawn Rankin aufgetaucht. Sie brachte ein
kühles Lächeln zustande, das ihre Augen nicht erreichte, doch das war zu
erwarten gewesen. Schließlich waren sie und Bentz einmal ein Paar und hatten
sich nicht gerade im Guten voneinander getrennt. Dawn hatte ihm nie verziehen
und auch kein Hehl daraus gemacht.
Bevor Bentz in seinem Motelzimmer ins Bett
gefallen war, hatte er noch Montoya angerufen und ihm eine Nachricht
hinterlassen, mit der Bitte, bis zu seiner Rückkehr auf Olivia aufzupassen.
Anschließend hatte er die Nummer seiner Vorgesetzten, Melinda Jaskiel, gewählt
und Polizeischutz für seine Frau beantragt. Obwohl Olivia und er außerhalb der
Stadtgrenze von New Orleans wohnten, hatte er genug Freunde im Department, die
bereit waren, nach ihr zu sehen.
Olivia würde natürlich außer sich sein, doch die
Situation spitzte sich zu, und Bentz gefiel der Gedanke nicht, dass sie allein
war, selbst wenn die jüngsten Morde fast zweitausend Meilen von New Orleans
entfernt stattgefunden hatten. Bevor er eingeschlafen war, war er der Ansicht
gewesen, diese Schutzmaßnahmen seien ausreichend, doch jetzt war ihm klar, dass
er nach Hause zurückkehren musste, um sich zu vergewissern, dass Olivia in
Sicherheit war. Wer wusste schon, was diese Psychopathin vorhatte, die bereits
per Telefon ihre Fühler nach seiner Frau ausstreckte? Er würde kein Risiko
eingehen. Schließlich konnte er später immer noch nach Kalifornien
zurückfliegen. Im Moment wollte er nur noch zu Olivia. Mit ihr ins Bett gehen.
Sein Leben mit ihr wiederaufnehmen. Ihr Wunsch, ein Baby zu bekommen, schoss
ihm durch den Kopf, und er ging diese Möglichkeit in Gedanken erneut durch. Verdammt,
er wäre über sechzig, wenn das Kind das College beendet hatte!
Na und? Du kannst dich in zehn, fünf zehn Jahren
zur Ruhe setzen und es genießen, dein Kind aufwachsen zu sehen. Was ist denn so
schlimm daran?
Nichts. Doch die Wahrheit war, dass er sich genauso
wenig vorstellen konnte, in Ruhestand zu treten, wie noch einmal ganz von vorn
anzufangen und ein Kind großzuziehen. Er packte die letzten Sachen in seinen
Trolley, legte Schulterholster und Pistole hinein, dann zog er das Kabel seines
Laptops aus der Steckdose und packte alles in die Laptop-Tasche. Sein Blick
fiel auf den Gehstock. Am liebsten hätte er das verdammte Ding in den Müll
geworfen, doch stattdessen nahm er es mit. Ein letztes Mal sah er sich in dem
schäbigen Zimmer um, dann zog er die Tür hinter sich zu. Er checkte aus und
machte sich bei stockendem Verkehr auf den Weg zum Flughafen. Die Sonne kämpfte
sich über dem Pazifik durch den Smog und knallte auf die Windschutzscheibe.
Die Zeit schien stillzustehen, und Rick wurde ganz kribbelig.
Jetzt, da er die Entscheidung gefällt hatte,
nach Hause zu fliegen, war er ungeduldig, konnte es kaum abwarten, von hier
wegzukommen. Zum Teil war seine Gereiztheit sicher auf den Schlafmangel zu
schieben und auf seine Sorge, dass zwei Frauen allein deswegen ums Leben
gekommen waren, weil er nach Los Angeles zurückgekehrt war. Im Grunde aber ging
es ihm darum, Olivia so bald wie möglich in Sicherheit zu wissen.
Die Minuten schleppten sich dahin, doch endlich
sah er den Tower, dann das Encounter Restaurant, das Wahrzeichen des LAX. »Wird
aber auch Zeit«, murmelte er. Er fuhr zur Autovermietung, und nachdem er den
Wagen abgegeben hatte, schleppte er seine Sachen ins Flughafengebäude, um sich
ein Ticket zu besorgen. Drinnen wimmelte es von Reisenden, die Schlangen vor
dem Schalter zogen sich bis zum Eingang. Geschieht dir recht, dachte er. Warum
hast du nicht online gebucht?
Bentz befahl sich, Geduld zu bewahren. Er
entschied sich für dieselbe Fluggesellschaft wie auf dem Hinflug und stellte
sich in eine kürzere Schlange, doch natürlich gab es eine Verzögerung.
Zentimeter um Zentimeter rückte er hinter einer Frau in knallengen Jeans und
einer kurzen Jacke, deren Handy am Ohr festzukleben schien, nach vorn, sobald
diese die Designertasche zu ihren Füßen mit
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