Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
tot war. Angeblich.
Fortuna hätte wissen müssen, dass sie Bentz
nicht trauen konnte. Manche Geheimnisse blieben lieber unausgesprochen. Närrin! Fortunas Arme bewegten
sich schon langsamer. Ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei, und
sie verlor langsam das Bewusstsein.
Beweg dich! Kämpf! Gib nicht
auf!, schrie eine Stimme in ihrem Kopf, aber ihre
Muskeln wollten nicht hören, ihre Arme zuckten kaum mehr.
»Gute Nacht, du Miststück«, flüsterte eine
Stimme.
Eine Frauenstimme? Sie war sich nicht sicher.
Fortuna spürte, wie ihr eine Nadel in den
nackten Oberarm stach. Der Lappen wurde von ihrem Gesicht genommen. O Gott, bitte .... nicht...
Doch es war zu spät.
Sie sank zurück auf die Matratze. Der Angreifer,
wenn er denn ein Mann war, seufzte. Ein zufriedenes Seufzen. Fortuna stellte
sich vor, wie er lächelte, obgleich sie nichts sehen konnte.
Sie versuchte, die Augen zu öffnen, aber ihre
Augenlider waren schwer, so verdammt schwer.
Sie konnte sich nicht mehr bewegen.
Nicht einmal, als sie spürte, wie ihr das dünne
Nachthemd über den Kopf gestreift wurde. O
Gott, ich werde vergewaltigt, dachte sie, obwohl es
ihr schon fast gleichgültig war. Ihr Puls verlangsamte sich ... die Droge
sickerte in ihr Blut. Sie dachte an die Gebete ihrer Kindheit, Gebete, die sie
seit Ewigkeiten nicht mehr gesprochen hatte ... Vater unser im Himmel, geheiligt -
Sie wurde wieder angezogen. Als hätte Gott sie
bereits erhört.
Es musste jetzt Licht im Zimmer sein, denn die
Schwärze, die sie bei geschlossenen Augenlidern sah, war Rot gewichen. Ein
Kleidungsstück wurde über ihren Kopf gezerrt, ihre Arme durch die Ärmellöcher
gesteckt. Warum? Das ist doch verrückt.
Vielleicht rief die Droge, die man ihr gespritzt
hatte, Halluzinationen hervor.
Hoffnung flackerte in ihr auf. Vielleicht sterbe
ich doch nicht, dachte sie. Man würde sie wohl kaum anziehen, wenn man
vorhatte, sie umzubringen.
Es gibt schlimmere Schicksale
als einen schnellen Tod, warnte sie die Stimme
der Vernunft.
Aber der Gedanke verflüchtigte sich, und binnen
Sekunden senkte sich die Bewusstlosigkeit auf sie herab wie ein Engel der
Barmherzigkeit.
26
Bentz wachte mit einem bitteren Geschmack im
Mund auf, fest entschlossen, nach Hause zurückzukehren. Was zum Teufel hatte er
in Los Angeles verloren, wenn Olivia in New Orleans bedroht wurde? Er hatte nur
ein paar Stunden geschlafen, doch bei Tageslicht sah das Motelzimmer noch
fremder und ungastlicher aus als sonst. Warum war er noch hier und jagte
»Jennifer« nach, wenn seine Frau ihn zu Hause brauchte und möglicherweise in
Gefahr war?
Noch vom Bett aus griff Bentz nach seinem Handy
auf dem Nachttisch und rief Jonas Hayes an. Er wurde an den Anrufbeantworter
weitergeleitet und hinterließ eine Nachricht, dass er abreisen, nach Hause
zurückkehren würde. Er stieg aus dem Bett, wohlwissend, dass er das einzig
Richtige tat, das einzig Mögliche.
Er schleppte sich unter die Dusche und stellte
sich unter den heißen Wasserstrahl - aufs Rasieren verzichtete er. Als er sich
fast wieder lebendig fühlte, stellte er den Strahl ab, schlang sich ein
Handtuch um die Taille und fing an, seine Sachen in die Reisetasche zu stopfen.
Ihm war klar, dass es keinen guten Eindruck machte, einen Tag, nachdem er Lorraines
Leiche entdeckt hatte, L.A. zu verlassen. Es würde verdächtig wirken, wenn er
gleich nach seinen Unschuldsbekundungen in ein Flugzeug stieg, das ihn weit fortbrachte.
Sei's drum.
Er hatte fast die ganze Nacht damit zugebracht,
das von ihm recherchierte Material in Hayes' Büro im Parker Center darzulegen.
Jetzt war das LAPD offiziell mit den Untersuchungen bezüglich Jennifers Tod
betraut. Jonas hatte von allem eine Kopie gemacht, von den Fotos, seiner Liste
mit den Namen von Jennifers Freundinnen, von Adressen und Telefonnummern sowie
den Nummernschildern, die er mit seinem Handy fotografiert hatte. Bentz hatte
ihnen die Ereignisse Schritt für Schritt geschildert, alles, was seit seiner
Landung in L.A. vor gut einer Woche passiert war. Er hatte Hayes sogar den
Namen von Jennifers Zahnarzt gegeben, für den Fall, dass Hayes ihre Exhumierung
durchbekommen würde. Das wäre immerhin ein Fortschritt, dachte Bentz jetzt,
rubbelte sich mit einem Handtuch die Haare trocken und fragte sich, ob die
Röntgenaufnahmen von Jennifers Zähnen wohl mit den Überresten in ihrem Sarg
übereinstimmten. Eine Exhumierung würde zumindest Antwort auf eine der Fragen
geben ... »Offenbar
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