Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
konnte, auch wenn es bei weitem nicht genug zu sein schien. Seine Frau
durfte nicht in Gefahr geraten. Er entdeckte das Ausfahrtsschild und wechselte
auf die richtige Spur. »Du hast einen Jogger gesehen.« Hayes blickte aus dem
Fenster auf die Lichter des Stadtzentrums von Los Angeles, wo sich die
Wolkenkratzer in den blauschwarzen Himmel erhoben. »War es derselbe wie in der
Nacht, in der du von dem Pier gesprungen bist?«
»Einmal war es ein Mann, einmal eine Frau.«
»Bist du sicher? Du hast beide als schlank und
athletisch beschrieben. Beide trugen Baseballkappen, die die Haare bedeckten.«
Das stimmte. Außerdem war er beide Male zunächst
unsieher gewesen, was das Geschlecht betraf. »Könnte vermutlich beides
zutreffen.«
»Ich habe die Aufzeichnungen der Webcam an dem
Santa-Monica-Pier.«
Bentz nahm die Abfahrt und warf Hayes einen
raschen Blick zu. »Du hast
sie? Nicht ich? Obwohl ich sie
angefordert habe?«
»Die Sicherheitsfirma, die sie betreibt, wollte
das über die örtliche Polizei regeln, und das Police Department von Santa Monica
hat mich angerufen.«
Verärgert fragte Bentz: »Hast du was
Interessantes entdeckt?«
»Keine Frau in einem roten Kleid, weder zwei
Stunden vorher noch danach. Keine Frau, auf die Jennifers Beschreibung
zutrifft, aber alle anderen standen auf ihren Plätzen. Der alte rauchende Mann,
das knutschende Pärchen und ein Jogger. Der Jogger lief nicht nur vorbei,
sondern blieb stehen und blickte über den Pier, etwa zu dem Zeitpunkt, an dem
du über die Holzbohlen gerannt bist. An sich ist das keine große Sache, und ich
hätte dem auch keine weitere Beachtung geschenkt, hättest du nicht erwähnt,
dass du heute Nacht ebenfalls einen Jogger gesehen hast.«
»Könnte Zufall sein.«
»Könnte, aber das glaube ich nicht. Ich gebe
nicht viel auf Zufälle.«
»Ich auch nicht.«
»Dann scheint es also tatsächlich um dich und
deine erste Frau zu gehen.« Hayes rieb sich das Kinn und kaute nachdenklich
auf seiner Unterlippe. »Warum jetzt? Warum wartet jemand zwölf Jahre, bis er
es dir heimzahlt?«
»Ich wünschte, das wüsste ich.« Bentz bremste
vor einer roten Ampel am Ende der Freeway-Abfahrt.
»Ich will sämtliche Informationen, die du hast.
Absolut alle.«
»Okay.«
»Außerdem musst du dich zurückhalten.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.«
»Also, unter uns: Bei den Kollegen vom
Department bist du nach wie vor in aller Munde, und ehrlich gesagt, kann man es
ihnen nicht verdenken. Du kannst unsere Ermittlungen nicht beeinflussen,
Bentz. Das weißt du. Kein Detective bearbeitet seinen eigenen Fall. Und wie es
aussieht, will Bledsoe dir den Arsch aufreißen.«
»Er will ständig jemandem den Arsch aufreißen.
Warum also nicht mir«, fügte Bentz gelassen hinzu, obwohl eine gewisse Schärfe
in seiner Stimme mitschwang. »Wie dem auch sei, jeder im Department ist der
Ansicht, dass dein plötzliches Auftauchen in L.A. der Auslöser für diese Morde
war. Wir müssen das Ganze unbedingt klären.«
»Das wird auch langsam Zeit«, stimmte Bentz zu.
»Du hast also mit Shana Mclntyre und Lorraine Newell gesprochen. Sonst noch
mit jemandem?« Bentz nickte. »Ich habe mich mit Tally White, einer alten
Freundin von Jennifer, unterhalten. Einer Lehrerin. Meine Ex-Frau und sie haben
sich damals über die Kinder kennengelernt. Tallys Tochter Melody ist im selben
Alter wie Kristi. Außerdem habe ich Fortuna Esperanzo aufgesucht, eine weitere
Freundin von Jennifer. Sie haben zusammen in einer Kunstgalerie in Venice
gearbeitet. Fortuna ist noch dort beschäftigt.«
»Und das ist alles?«
»Ja«, bestätigte Bentz und kämpfte eine ungute
Vorahnung nieder. »Ich habe die entsprechenden Angaben im Motel.
Wir könnten einen Abstecher dorthin machen, und
ich gebe sie dir.«
»Einverstanden.«
Bentz ordnete sich so ein, dass er den Freeway
405 Richtung Culver City nehmen konnte. Trotz seiner Erschöpfung schoss ihm
Adrenalin durch die Adern, und er wusste, dass er nicht würde schlafen können,
genauso wenig, wie er sich aus den Ermittlungen würde heraushalten können. Er
würde weiter seine Nachforschungen anstellen, stetig und unauffällig. Er würde
die Arbeit des LAPD nicht behindern, aber er hatte vor, mit ihren
Fortschritten mitzuhalten, was nicht schwer sein dürfte. Schließlich hatte er
noch Montoya und ein paar andere Freunde bei der Polizei in New Orleans, Leute,
die für ihn Daten und Fakten recherchierten und auf dem Laufenden blieben, was
die Dinge anging, die
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