Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
gestanden und zugesehen
hatte, wie Jennifers Sarg in die Erde gesenkt wurde. An die Trauergäste
erinnerte er sich nur vage, aber Shana und Tally waren da gewesen, das wusste
er. Fortuna hatte ebenfalls an der Beerdigung teilgenommen, genau wie Jennifers
Stiefschwester Lorraine und andere Familienmitglieder und Freunde. Bentz'
Bruder hatte den Trauergottesdienst geleitet, zutiefst ergriffen und aschfahl.
Als er die Gebete murmelte, schob sich eine dicke Wolkenbank vor die Sonne. Er
habe Jennifer geliebt, hatte James in seiner Rede gesagt, doch nur ein paar der
Anwesenden kannten die Wahrheit: dass diese Art Liebe einem Geistlichen nicht
angemessen war. Sein Zölibatsgelübde hatte ihn offenbar weit weniger eingeengt
als sein Priesterkragen. Kristis Hand fest umschlossen, hatte Bentz Alan Gray
angeblickt, den Mann, den Jennifer beinahe geheiratet hätte, bevor sie sich in
Bentz verliebte und die Frau eines Polizisten wurde. Bei dem Begräbnis hatte
Alan abseits der Menge gestanden, ein Millionär, der nicht wirklich
dazugehörte. Sein Gesichtsausdruck war vollkommen emotionslos gewesen, als
ginge es um einen hohen Einsatz beim Pokern in Vegas. Bentz hatte die Augen
abgewandt, und Gray war gegangen, noch bevor das letzte Gebet gesprochen
wurde. Damals hatte Bentz es seltsam gefunden, dass Gray bei der Beerdigung
aufgekreuzt war, doch dann hatte er nicht mehr daran gedacht.
Es war surreal zu beobachten, wie der Bagger die
Erde aus dem Grab seiner Frau schaufelte, und der tiefliegende Nebel verstärkte
diesen Eindruck noch. Bentz war überzeugt, dass der verwesende Leichnam im
Sarg seiner Frau gehörte. Wem sonst?
Dennoch war er nervös. Angespannt. Rechnete mit
dem Schlimmsten. Trotz der Kühle fing er an zu schwitzen. Die Männer mit den
Schaufeln gingen in dem Moment an die Arbeit, als Hayes eintraf. Er trug einen
hellbraunen Anzug, der so frisch gebügelt aussah, als käme er gerade aus der
Reinigung. Ein dunkles Hemd, eine passende Krawatte und auf Hochglanz polierte
Schuhe machten das Outfit komplett. Stets der Dandy.
»Nichts Neues von deiner Frau?«, erkundigte sich
Hayes.
»Ich hab gehofft, du würdest etwas wissen.«
»Ich arbeite dran.« Hayes tastete nach dem
Knoten seiner Krawatte. »Hab das Handy über den GPS-Positionsanzeiger geortet«,
sagte er.
»Und?«
»Reg dich jetzt nicht auf. Offenbar ist es
weggeworfen worden. Wir haben es im Sand in der Nähe des Santa-Monica-Piers
gefunden.«
»Verdammt!«
»Wir überprüfen noch mal die Webcams. Bislang
ohne Ergebnis, aber es ist ja noch früh.«
Santa Monica. Schon wieder. Bentz
wusste, warum das Handy dort entsorgt worden war. Wegen Jennifer. Weil Stadt
und Pier eng mit ihrem Leben verknüpft waren, ihrem gemeinsamen Leben. Wer
immer sie in seine Gewalt gebracht hatte, rieb ihm genau das unter die Nase,
streute Salz in die Wunden, verhöhnte ihn.
»Dieses Miststück.« Bentz konnte den Zorn, der
in ihm hochstieg, nicht unterdrücken. »Jennifer. Sie spielt mit mir.«
»Es ist nicht Jennifer«, korrigierte Hayes und
deutete mit dem Kinn auf den Sarg.
»Schon klar ... du weißt, wen ich meine. Die
Frau, mit der ich im Auto gesessen habe. Sie sah Jennifer unglaublich ähnlich,
aber sie war zu jung. Aus dieser Nähe konnte ich mit Sicherheit sagen, dass sie
nicht meine Ex-Frau war. Aber verdammt, sie wusste so viel über Jennifer ...
über uns.« Seine Haut kribbelte bei der Erinnerung an ihren Kuss, ihre
Berührung. Bei dem Gedanken daran, wie sie geschmeckt hatte, wie er sich hatte
übertölpeln lassen, geriet sein Magen in Aufruhr. Wütend auf sich selbst,
versuchte er, sich zusammenzunehmen, zu denken wie ein Cop, nicht wie ein
Ehemann. »Okay. Dann ist das Handy also wertlos. Was unternehmt ihr noch?«
»In erster Linie versuchen wir zurückzuverfolgen,
was gestern passiert ist, sprechen mit Leuten am Flughafen, die gesehen haben
könnten, wie sich Olivia mit Petrocelli in der Gepäckausgabe getroffen hat. Wir
überprüfen die Sicherheitskameras am Flughafen und stückeln Sherrys gestrigen
Tagesablauf zusammen.«
Das reicht nicht, dachte Bentz. »Habt ihr die
Jungs vom FBI angerufen?«
»Der Captain hat vor, sie hinzuzuziehen -«
»Das ist Kidnapping, Hayes.«
»Es sind nicht mal vierundzwanzig Stunden
verstrichen, was aber nicht heißen soll, dass sich unsere Abteilung für
vermisste Personen strikt daran hält.«
»Das will ich auch nicht hoffen. Allmächtiger!
Eine Polizeibeamtin ist tot und eine ganze Menge anderer Personen auch.
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