Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah

Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah

Titel: Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Ich
spüre, wie das Boot ein wenig schlingert, rieche die Ausdünstungen der Tiere,
die vor ihr hier eingesperrt waren. »Ein Spiel? Vielleicht. Nur, dass ich weiß,
wie's ausgeht, du leider nicht.«
    »Erklären Sie's mir.«
    Gott, ist sie mutig! Versucht, mir Informationen
zu entlocken, und stellt Fragen, wo sie doch eigentlich unterwürfig und voller
Angst um ihr Leben betteln sollte! Ich bin
diejenige, die sagt, wo's langgeht. Kapiert sie das nicht? »Das musst du nicht
wissen.«
    »Kennen Sie meinen Mann?«
    »RJ? Aber ja.«
    »Dann haben Sie also so getan, als wären
Sie Jennifer?« Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Dann mache ich ein
tiefes, brummendes Geräusch. »Möööp! Leider verloren. Keine Schnellrunde für
dich, nicht mal ein hübscher Trostpreis. Du musst einfach nur hierbleiben. Das
ist der Preis.«
    Sie lächelt nicht mal, diese humorlose Schlampe.
»Hör zu, ich habe nicht viel Zeit, deshalb dachte ich, ich zeige dir nur
schnell etwas, gebe dir dein Essen und mache mich wieder auf den Weg.« Mit
großem Getue krame ich in meiner Tasche herum, dann schiebe ich das
eingewickelte Sandwich und eine Dose Dr.-Pepper-Cola durch die Gitterstäbe.
Ich trage Handschuhe, nur für den Fall, dass etwas schiefgeht. Man kann nicht
vorsichtig genug sein. Sie beachtet das dürftige Frühstück nicht.
    Gut. Wenn sie verhungern will, ist das nicht
meine Sache. Doch ich bin mir sicher, dass ihre toughe Fassade bald Risse
bekommen wird. Das Familienalbum wird sie bestimmt mehr interessieren.
    Vorsichtig öffne ich es und schlage meine
Lieblingsseiten auf: Weihnachten. Ein Foto zeigt Jennifer, die auf einem dick
gepolsterten Sessel thront, Rick neben sich, seine Hand besitzergreifend auf
ihrer Schulter. In einer Ecke ein erleuchteter Weihnachtsbaum. Kristi, ein
Kleinkind mit einem breiten Lächeln und einer albernen roten Schleife in den
Haaren, sitzt auf Jennifers Schoß. »Mir ist klar, dass jetzt keine
Weihnachtszeit ist, aber ich dachte, wir sehen uns das gemeinsam an.«
    Ich lege das geöffnete Album auf den Fußboden,
auf meine Seite des Käfigs, gerade außerhalb ihrer Reichweite. Verächtlich
blickt sie auf die Fotos, aber ihre harte Schale springt ein wenig und lässt
Furcht und Empörung durchblicken.
    »Was soll das?«, fragt sie mit einem leisen
Flüstern. Das Album geht ihr an die Nieren. Endlich. »Woher haben Sie das?«
    »Es soll dich nur ein bisschen nachdenklich
machen«, sage ich.
    »Weshalb?«
    »Damit du begreifst, dass der Mann, den du
geheiratet hast, von seiner ersten Frau besessen war. So kurz vor seinem Tod
hat jeder ein bisschen Klarheit verdient, ein bisschen Einsicht.« Ich lächele.
    Und dann, während sie noch baff ist, greife ich
in meine Sporttasche und ziehe eine Digitalkamera heraus. Schnell drücke ich
auf den Auslöser, um ihren entsetzten Gesichtsausdruck einzufangen. Das Foto
ist perfekt. »Dein Mann wird diesen Schnappschuss lieben«, versichere ich ihr.
»Wunderbar.« Mit dem Gefühl, einen Sieg davongetragen zu haben, packe ich
meine Sachen zusammen und eile die Treppe hinauf.
    Soll sie ruhig über ihre freudlose Zukunft
nachdenken.
     
    Die Frau ist verrückt, dachte Olivia. Kalt,
berechnend und völlig durchgeknallt. Und besessen von Bentz.
    Olivia stand im Käfig und wiegte sich leicht im
Rhythmus des schaukelnden Bootes, während die Angst an ihr nagte wie kleine
wimmelnde Würmchen. Sie starrte das prall gefüllte Einsteckalbum jenseits der
Gitterstäbe an, aufgeschlagen auf einer Seite mit über zwanzig Jahre alten
Weihnachtsfotos. Schnappschüsse über Schnappschüsse, Zeitungsausschnitte und
Karten - die Arbeit eines besessenen, kranken Gemüts.
    Warum? Wer war sie? Warum hatte sie es derart
auf Bentz abgesehen?
    Doch im Grunde spielte das keine Rolle, das
Entscheidende war, dass Olivia fliehen musste. Und zwar bald. Da entdeckte sie
noch etwas auf den Seiten. Rote Schmierflecken wie ... Blutstropfen? ... auf den
Fotos und dem Plastik. O Gott. Wessen Blut? Von dieser Wahnsinnigen, die sie
gefangen hielt? Oder von jemand anderem? Jennifers
Blut. Nein. Jennifer war lange tot. Plötzlich
verspürte Olivia eine heftige Übelkeit. Im Nu war ihr klar, dass sie sich würde
übergeben müssen. Sie taumelte durch ihr Gefängnis und schaffte es kaum bis zum
Eimer. Weil sie so wenig im Magen hatte, erbrach sie fast nur Säure und Galle.
    Noch einmal! Ihre Eingeweide protestierten, und
sie fühlte sich schwach. Das konnte doch nicht die morgendliche Übelkeit sein.
Doch

Weitere Kostenlose Bücher