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Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah

Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah

Titel: Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah Kostenlos Bücher Online Lesen
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im
Drahtgeflecht befand. Er schlüpfte hindurch, schrammte sich den Arm an den
scharfen Metallkanten auf und zerriss sich das Hemd. Er merkte es kaum. Seine Hüfte
und sein Knie protestierten, doch auch darüber setzte er sich hinweg,
konzentrierte sich ganz auf sein Vorhaben und starrte finster auf das
baufällige Gebäude. Der Glockenturm zählte zu den wenigen Teilen der Anlage,
die noch intakt waren. Die meisten Fenster waren mit Brettern vernagelt, hohes
Gras erstickte das, was einst ein üppiger Garten mit sorgfältig bestellten
Beeten gewesen war. Dachziegel waren vom Dach gerutscht und lagen zersplittert
auf den überwucherten Wegen. In der Mitte der runden Auffahrt stand ein längst
abgeschalteter Springbrunnen - ein Engel ohne Kopf mit nur einem Flügel, der
früher Wasser aus einem Behältnis in ein großes Becken gegossen hatte. Hier hatten sie sich heimlich getroffen? Zu romantischen
Rendezvous?
    Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er das
heruntergekommene Inn. Es fiel ihm schwer, in Gedanken die Uhr zurückzudrehen
und sich die alte Mission so vorzustellen, wie sie einst gewesen war, mit
ihren sorgfältig gepflegten Rasenflächen und Gärten, den Buntglasfenstern und
dem plätschernden Springbrunnen. Er machte einen großen Schritt über einen
Schutthaufen und arbeitete sich durch Trümmer und Gestrüpp zu der mit
Schnitzereien versehenen Doppeltür vor. Eine verrostete Kette war durch die
Griffe geschlungen, das Schloss unversehrt an Ort und Stelle. Um Neugierige,
Obdachlose oder Plünderer fernzuhalten.
    Oder einen Polizisten mit zu
viel Zeit, der von seiner toten Ex-Frau besessen ist.
    Rick ignorierte die Stimme in seinem Kopf,
knackte das Schloss und gelangte durch einen Bogengang in einen rechteckigen
Innenhof, der zu allen Seiten von dem zweigeschossigen Gebäude umgeben war.
Die beiden Längsseiten waren in individuelle Wohneinheiten mit separaten
Zugängen im Erdgeschoss sowie mit Baikonen und mit Brettern vernagelten
Fenstertüren im ersten Stock unterteilt. Der Innenhof lag bereits im Schatten.
Die Sonne ging langsam hinter dem Glockenturm unter, und die Abenddämmerung
senkte sich auf die bröckelnde, angeschlagene Statue des heiligen Michael.
    Der Ort wirkte einsam. Verlassen.
    Bentz ging durch den Säulengang, spähte durch
ein paar schmutzige Fensterscheiben, die nicht vernagelt waren, und wäre
beinahe auf eine Ratte getreten, die flink durch einen Spalt im Mauerwerk
huschte. Nicht gerade Bentz' Vorstellung von einer romantischen
Zufluchtsstätte. Zumindest nicht im gegenwärtigen Zustand. Der Ort war
ausgesprochen gruselig, der ideale Schauplatz für einen Horrorfilm. Er
probierte, ob sich irgendeine Tür öffnen ließ, und spürte, wie die Anspannung
seinen Nacken hinaufkroch.
    Alle Räume waren sorgfältig verschlossen, auch
Zimmer 7, eine Ecksuite. Die Nummer hing lose am Rahmen und sah aus, als wollte
sie jeden Augenblick in den Schutt plumpsen, der sich im Hof sammelte.
    Bentz zog sein Dietrich-Set aus der Tasche und
machte sich hastig am Schloss zu schaffen. Endlich sprang es auf, die alten
Scharniere quietschten schaurig. Jetzt oder nie, sagte er zu sich selbst, doch
als er die muffige Suite betrat, hatte er das Gefühl, Tote zu wecken. Im Nu war
er zurückgeworfen in eine Zeit, die er unbedingt hatte vergessen wollen.
    Ein zerbrochener Tisch. Ein umgestürzter
Fernsehständer auf dem schmutzigen, zerschrammten Fußboden. Spinnweben in den
Ecken, tote Insekten auf den Fensterbänken. Das ganze Gebäude war abbruchreif.
Bentz' Haut kribbelte. Eine Wendeltreppe führte nach oben. Die Stufen
knarzten, als er sich mühsam hinauf ins Schlafzimmer schleppte. Von dort gingen
zwei Türen ab: Eine führte in ein schmutziges Badezimmer, wo die gesprungenen
Waschbecken aus den Wänden gerissen waren. Die Toilette fehlte ganz. Die zweite
Tür war geschlossen, der Riegel zerbrochen, doch als Bentz gegen das alte Holz
drückte, öffnete sie sich auf einen inneren Flur. Auf der einen Seite gelangte
man zur Feuertreppe, auf der anderen erstreckte sich der Flur über die gesamte
Gebäuderückseite. Bentz entschied sich für diese Richtung und stellte fest,
dass der Flur in ein Treppenhaus mündete, welches nach unten in eine Art Lobby
mit Rezeption führte, offenbar der frühere Haupteingang der Mission.
    Wie praktisch, dachte er. Ein versteckter
Eingang für einen Priester, der nicht die Eingangstür im Innenhof nehmen will,
wenn er zu seiner Geliebten geht. In finstere Gedanken versunken,

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