Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
waren sie ganz Wolf. Ich konnte seine Reaktion auf Samuels Frage spüren. Ein leises Grollen zog durch die wartenden Werwölfe, als sie es ebenfalls rochen. Wölfe sind nun einmal territorial.
Adam reckte den Hals, und ich hörte ein leises Knacken. »Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verbunden«, erklärte er umgänglich.
Samuel streckte die Hand aus, und Adam schüttelte sie. Samuel richtete sich auf und hob abermals das Gesicht zum Mond. »Gerry Wallace aus dem Marrok-Rudel, ich rufe dich hierher, um dich deinen Anklägern zu stellen.«
Gerry musste ganz in der Nähe gewesen sein, denn er brauchte nicht lange. Wie Samuel hatte er seine menschliche Gestalt beibehalten. Er blieb am Rand der Wölfe stehen.
»Gerry, alter Freund«, sagte Samuel. »Es ist Zeit. Komm her.«
Die freundlichen Worte konnten die wahre Macht, die dahinter
stand, nicht vor mir oder vor Gerry verbergen. Er ließ sich auf alle viere nieder und kroch an den reglosen Wölfen vorbei, den Kopf unterwürfig gesenkt. Er wehrte sich nicht mehr.
Schließlich hockte er vor uns. Zunächst glaubte ich, er müsse zornig sein – wie ich es gewesen wäre, wenn mich jemand gegen meinen Willen gerufen hätte. Oder vielleicht verängstigt. Aber ich bin kein Werwolf. Das einzige Gefühl, das ich von Gerry auffangen konnte, war Resignation. Er wusste, dass er verloren hatte.
Adam ging in die Knie, bis er auf seinen Fersen saß, und legte dann die Hand auf Gerrys Schulter.
»Warum?«
»Es war mein Vater«, sagte Gerry. Sein Gesicht war ruhig, die Stimme verträumt, er war gefangen im Ruf des Mondes. »Er ist gestorben. Krebs, sagten sie. Ich redete und redete. Ich bettelte und flehte. Bitte, Papa, das Dasein als Wolf ist eine wunderbare Sache. Ich denke, am Ende war er es einfach nur leid, als er mir zustimmte. Bran hat es getan – ich glaube, weil ich es selbst nicht hätte ertragen können. Und anfangs war es wunderbar. Der Krebs verschwand, und mein Vater konnte sich wieder bewegen.«
»Ich habe davon gehört«, erwiderte Adam. »Aber er konnte den Wolf nicht beherrschen.«
»Er wollte es nicht.« Es war unheimlich, diese volltönende Stimme zu hören, während Gerry die Tränen übers Gesicht liefen. »Er wollte es nicht. Zuvor war er Vegetarier gewesen, und plötzlich sehnte er sich nach rohem Fleisch. Er versuchte, den Flügel eines Vogels zu schienen, und dann starb das Tier aus Angst vor dem, was er geworden war. Bran sagt, ein Werwolf zu sein, brach meinem Vater das Herz. Er konnte – wollte – nicht akzeptieren, was er war, denn er wollte kein Raubtier sein. Er wollte nicht sein wie ich.«
Adam sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Zunächst dachte ich, Sie hätten versucht, Bran davon abzuhalten, uns der Öffentlichkeit vorzuführen.«
Gerry wischte sich das Gesicht ab. »Bran sagte, wenn mein Vater nicht so dominant wäre, hätte er sich dem Wolf nicht widersetzen können. Aber je mehr er sich widersetzte, desto mehr verlor er die Beherrschung. Er hätte beinahe meine Schwester umgebracht.«
»Gerry.« Samuels Stimme war fest. »Was hat das mit Adam zu tun?«
Gerry hob den Kopf. Er konnte Samuel nicht in die Augen schauen, und auch nicht Adam, also schaute er mich an. »Wenn wir kämpfen«, sagte er, »werden der Wolf und der Mann eins. Es hätte nur ein einziges Mal geschehen müssen, und Vater wäre wieder eins gewesen.«
»Er wollte gar nicht, dass Adam gegen Bran kämpft«, sagte ich plötzlich. »Oder, Gerry? Wolltest du ihn umbringen?«
Er sah mich mit den Augen seines Vaters an und sagte: »Adam musste sterben.«
»Es ist dir gleich, was Bran mit den Werwölfen und der Öffentlichkeit vorhat, nicht wahr?«, fragte Samuel.
Gerry lächelte ihn an. »Nein, im Prinzip habe ich mich schon lange dafür ausgesprochen, seit sich das Feenvolk gezeigt hat. Aber ich brauchte Geld für die Durchführung meines Plans, und es gibt viele Wölfe, die nicht in die Öffentlichkeit treten wollen und bereit waren, dafür zu zahlen.«
Plötzlich verstand ich. Samuel hatte recht gehabt. Gerry war alles andere als dumm, er war brillant.
»Neue Werwölfe von Leo in Chicago zu kaufen, die Drogenexperimente, der Angriff auf Adams Haus, all das sollte zweierlei leisten«, sagte ich. »Bran zeigen, dass du dahintersteckst, und deinem Vater beweisen, dass das nicht der Fall war.«
Er nickte.
»Adam musste sterben«, sagte ich und tastete mich vorsichtig weiter. »Aber du konntest ihn nicht einfach umbringen. Deshalb hast du ihn deinen Werwölfen
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