Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
sagen, hatte selbst nicht gewusst, wie große Sorgen ich mir machte. Adam war selbstsicher, aber er hatte sich nie im gleichen Raum befunden wie dieses Ding.
»Mercy«, sagte er, nachdem er mich eine Weile beobachtet hatte.
Ich wechselte zu seitlichen Tritten.
»Ein Schraubenzieher ist ein sehr nützliches Werkzeug, aber du setzt es nicht ein, wenn du einen Lötkolben brauchst«, sagte er. »Ich weiß, wie frustriert du bist. Ich weiß, du würdest gerne mithelfen, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, vor allem nach dem, was du mit Littleton erlebt hast. Aber wenn du mit ihnen gingst, würde vielleicht einer bei dem Versuch, dich zu beschützen, sterben.«
»Glaubst du, ich weiß das nicht?«, fauchte ich. Es war beängstigend, dass er mich gut genug kannte, um zu verstehen, wieso ich abwartete, während andere Littleton jagten, und dass diese Untätigkeit für mich das Schlimmste war. Ich hörte mit den Tritten auf und starrte den hin und her schwingenden Sandsack an. Ich widersetzte mich dem Impuls, mich stattdessen gegen Adam zu stellen.
Ich konnte mich in einen Kojoten verwandeln. Ich war schneller als ein Mensch. Ich war zum Teil immun gegen die Magie von Vampiren, hätte aber nicht sagen können, wie weit das reichte. Und damit hatte es sich auch schon mit meinen übernatürlichen Fähigkeiten. Sie reichten nicht aus, um Littleton zu jagen.
Wäre ich an diesem Abend imstande gewesen, das Geschirr zu zerreißen, hätte der Zauberer mich umgebracht. Das wusste ich, aber es verringerte nicht die Schuldgefühle, die ich hatte, weil ich zugesehen hatte, wie das Zimmermädchen
sich ganz alleine wehren musste. Ich wollte selbst mit diesem Zauberer abrechnen.
Ich wollte sein Genick unter meinen Zähnen spüren und sein Blut schmecken. Ich holte tief Luft. Ich wollte diesen lächelnden, ausgezehrten Mistkerl umbringen.
»Elizaveta wird nicht gegen ihn vorgehen«, sagte Adam. »Dämonen haben offenbar eine seltsame Wirkung auf Hexerei. Du bist nicht die Einzige, die am Spielfeldrand sitzt.«
»Heute hat eine der Fernsehstationen die Schwester des Mannes interviewt, dem die Vampire die Schuld für die Morde in die Schuhe geschoben haben.« Ich trat zweimal nach dem Sandsack. »Sie weinte. Sie gab zu, dass ihr Bruder Probleme in seiner Ehe gehabt habe, aber sie hätte sich nie vorstellen können, dass er so etwas tun würde.« Wieder trat ich zu, knurrend vor Anstrengung. »Und weißt du, wieso sie es sich niemals vorstellen konnte? Weil das arme Schwein tatsächlich nichts anderes getan hat als zur falschen Zeit am verdammten falschen Ort zu sein.«
»Wir können uns alle nicht leisten, dass die Vampire jetzt entdeckt werden«, sagte Adam.
Ich wusste, dass die Sache ihn ebenfalls beunruhigte. Adam war vollkommen offen und ehrlich – aber er verstand auch, wann es notwendig war, zu lügen. Ebenso wie ich. Das bedeutete nicht, dass es mir gefiel.
»Ich weiß, dass die Vampire sich verbergen müssen«, sagte ich zu dem Sandsack. »Ich weiß, dass die Menschen nicht bereit sind, alles über die Dinge herauszufinden, die sich in der Dunkelheit verbergen. Ich weiß, dass uns Vorsicht eine Massenhysterie und viele Tote erspart. Aber … dieser Lastwagenfahrer – du erinnerst dich, der, den sie als den Mörder ausgegeben haben –, er hatte Kinder. Sie werden mit dem Gedanken aufwachsen müssen, dass ihr Vater ihre Mutter
umgebracht hat.« Ich hatte mir ihre Namen aufgeschrieben. Irgendwann, wenn es ungefährlich war, würde ich dafür sorgen, dass sie die Wahrheit erfuhren.
Der Schmerz dieser Kinder, die Morde, und meine Erinnerungen an den Geruch des Todes der armen Frau und an Littletons höhnisches Lachen, all diese Dinge gingen auf das Konto des Zauberers. Ich wollte ebenfalls zu den Schuldeneintreibern gehören.
»Er hat mit ihr gespielt.« Ich brachte den Sandsack mit einem Halbkreistritt erneut zum Schwingen und hoffte, wenn ich das Schlimmste aus dieser Nacht erzählte, würde es mich vielleicht nicht mehr in meinen Träumen heimsuchen. »Ich wette, sie wusste bereits, dass er all die anderen Leute umgebracht hatte. Ich wette, sie wusste, dass er sie töten würde. Er hat sie gefoltert, immer nur ein klein wenig geschnitten, damit sie ganz langsam sterben würde.«
»Mercy.« Adams Stimme war ein Schnurren, bereit, mich zu trösten, aber darauf wollte ich mich nicht einlassen. Für Werwölfe bedeutete alles zu viel, und gleichzeitig zu wenig. Wenn ich zuließ, dass Adam mich tröstete, könnte er das am Ende
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