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Mercy-Thompson 03 - Spur der Nacht-retail-ok

Titel: Mercy-Thompson 03 - Spur der Nacht-retail-ok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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der unteren Hälfte. Der obere Teil war überwiegend leer, bis auf ein paar Brocken
von … Steinen. Ich erkannte einen Amethyst von beachtlicher Größe und ein besonders schönes Quarz-Kristall. O’Donnell hatte Steine gesammelt.
    Oben auf dem DVD-Player unter dem Fernseher lag die offene Hülle von Tschitti Tschitti Bäng Bäng. Wie konnte jemand wie O’Donnell ein Fan von Dick van Dyke gewesen sein? Ich fragte mich, ob er noch Gelegenheit gehabt hatte, sich den Film anzusehen, bevor er starb.
    Es hatte wahrscheinlich mit diesem Augenblick wehmütiger Erinnerung zu tun, dass ich das Knarren einer Diele unter dem Gewicht des ermordeten Bewohners des Hauses hörte.
    Andere Leute, Leute, die vollkommen menschlich sind, können ebenfalls Geister sehen. Vielleicht nicht so oft – oder im hellen Tageslicht –, aber sie sehen sie ebenfalls. Da es an den Tatorten im Reservat keine Geister gegeben hatte, hatte ich unbewusst angenommen, dass sich auch hier keine befinden würden. Ich hatte mich geirrt.
    O’Donnells Schatten kam aus dem Flur ins Wohnzimmer. Wie es bei Geistern manchmal passiert, wurde er Stück für Stück deutlicher, je mehr ich mich auf ihn konzentrierte. Ich konnte die Nähte an seinen Jeans erkennen, aber sein Gesicht blieb verschwommen.
    Ich winselte, aber er ging ohne einen Blick an mich zu verschwenden an mir vorbei.
    Die meisten Geister interagieren nicht mit den Lebenden. Ich habe einmal mit einem Geist gesprochen, ohne zu bemerken, dass er einer war, bis meine Mutter fragte, mit wem ich da redete.
    Einige Geister wiederholten ihren gewohnten Tagesablauf. Manchmal reagierten sie auch, obwohl ich für gewöhnlich
nicht mit ihnen sprechen kann. An einem Ort in der Nähe der Siedlung, in der ich aufgewachsen bin, gab es den Geist eines Ranchers, der jeden Morgen nach draußen ging, um Kühen, die seit einem halben Jahrhundert nicht mehr lebten, Heu vorzuwerfen. Manchmal sah er mich und winkte oder nickte, so wie er auf jeden reagiert hätte, der vorbeikam, als er noch lebte. Aber wenn ich versuchte, mit ihm zu reden, machte er einfach weiter seine Arbeit, als wäre ich nicht da.
    Eine weitere Art von Geistern sind die, die in traumatischen Augenblicken entstehen. Sie erleben immer wieder ihren Tod, bis sie schließlich verblassen. Einige lösen sich innerhalb von ein paar Tagen auf, und andere sterben noch Jahrhunderte nach ihrem Ableben jeden Tag aufs Neue.
    O’Donnell sah mich nicht vor sich stehen, also gehörte er nicht zu einer nützlicheren Art von Geist.
    Ich konnte nur zusehen, wie er zu dem Regal ging, in dem sich die Steine befanden, und etwas ganz oben berührte. Es klickte gegen das furnierte Regalbrett. Er blieb einen Moment stehen und seine Finger liebkosten, was sie berührten. Sein ganzer Körper konzentrierte sich auf den kleinen Gegenstand.
    Einen Moment war ich enttäuscht. Wenn er nur etwas wiederholte, das er jeden Tag getan hatte, würde ich nichts von ihm erfahren.
    Dann zuckte er zusammen, vielleicht in Reaktion auf ein Geräusch, das ich nicht hören konnte, und er ging schnell zur Haustür. Ich hörte, wie die Tür aufging, aber die wirkliche Tür, echter als die Erscheinung, blieb verschlossen.
    Das hier war kein Gewohnheitsgeist. Ich bereitete mich darauf vor, O’Donnell sterben zu sehen.

    Er kannte die Person an der Tür. Er schien über ihr Eintreffen verärgert zu sein, aber nach einem Augenblick des Gesprächs machte er einen Schritt zurück und ließ sie herein. Ich konnte die Person, die hereinkam, nicht sehen – sie war nicht tot – und auch nichts hören außer dem Knarren und Ächzen der Dielen, die sich erinnerten, was hier geschehen war.
    Ich folgte O’Donnells Blick und erkannte den Pfad des Mörders, der schnell zu einer Stelle vor dem Bücherregal ging. O’Donnells Körpersprache wurde immer feindseliger. Ich sah, wie sich seine Brust heftig hob und senkte, und dann machte er eine abgehackte Geste mit einer Hand, bevor er auf seinen Besucher zustürmte.
    Etwas packte ihn um Hals und Schulter. Ich konnte beinahe die Form der Hand des Mörders vor O’Donnells bleicher Gestalt erkennen. Für mich sah sie menschlich aus. Aber bevor ich besser hinsehen konnte, demonstrierte, was immer es war, dass es kein Mensch sein konnte.
    Es geschah so schnell. Einen Augenblick lang war O’Donnells Geist noch unversehrt, und im nächsten lag er auf dem Boden, zuckend und sich verkrampfend, und sein Kopf kullerte über den Boden, beinahe bis zu mir. Zum ersten Mal

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