Mercy-Thompson 03 - Spur der Nacht-retail-ok
hätte mir genug Zeit verschaffen sollen, um aus der Dusche zu kommen und mich in ein Handtuch zu wickeln, aber ich konnte die Energie nicht aufbringen, etwas anderes zu tun als in der Duschkabine zu stehen.
Die große Glastür ging auf, aber ich blickte nicht auf. Adam sagte kein Wort, sondern legte mir die Hände auf die Schultern und drehte mich um, so dass ich gegenüber dem Duschkopf stand. Ich senkte den Kopf noch tiefer
und machte einen Schritt vor, damit das Wasser meinen Hinterkopf traf und nicht mein Gesicht.
Er hatte sich offenbar einen Kamm geholt, denn er fing an, das Glas aus meinem Haar zu kämmen. Dabei achtete er sehr darauf, mich nirgendwo sonst zu berühren.
»Pass auf«, sagte ich. »Auf dem Boden liegen überall Glassplitter.«
Er zögerte einen Moment und kämmte dann weiter. »Ich habe Schuhe an«, knurrte er. Dieses Grollen sagte mir, dass der Wolf noch nicht sonderlich weit weg sein konnte, ganz gleich, wie menschlich oder sanft die Hände waren, die sich durch mein Haar arbeiteten.
»Sind alle in Ordnung?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass er jetzt Ruhe brauchte.
»Ben ist verletzt, aber das wird bis morgen früh wieder heilen – und er hat es verdient, nachdem er aus dem Fenster gesprungen ist. Glas ist schwer und schärfer als die Klinge einer Guillotine. Er hat Glück, dass er sich nicht selbst die Kehle durchgeschnitten hat – und noch mehr Glück, dass du mit kleinen Schnittwunden davongekommen bist.«
Ich konnte den Zorn spüren, der in ihm vibrierte. Werwölfe in ihrer Wolfsgestalt sind nicht immer zornig – so, wie auch ein Grizzly nicht immer zornig ist: Es kommt einem nur so vor. Wenn es stimmte, was Honey mir gesagt hatte, war Adams Laune noch unsteter als sonst. Der Kampf konnte dabei nicht geholfen haben.
All das bedeutete, dass ich nicht über meine eigene Unsicherheit hinwegtäuschen konnte, indem ich ihn provozierte – das wäre unfair gewesen. Verdammt.
Ich war zu müde, um eines der Spielchen zu spielen, die
Werwölfe beruhigen – und zu verhindern, dass er erfuhr, wie verängstigt ich gewesen war.
»Ich bin nicht verletzt«, sagte ich. »Nur müde. Dieses Monster konnte wirklich rennen.«
Er knurrte, als ich seinen Gegner erwähnte, und das war kein menschliches Geräusch.
Ich fluchte, obwohl ich normalerweise versuchte, das vor Adam nicht zu tun, denn er ist so empfindlich wie ein Mann eben ist, der in den fünfziger Jahren aufwuchs, als Frauen nicht fluchten. »Ich bin zu müde. Ich halte jetzt lieber den Mund.«
Er kämmte mein Haar weiter, und ich wartete geduldig, bis er glaubte, dass er alles Glas herausgeholt hatte. Er stellte das Wasser ab und verließ die Duschkabine, um ein Handtuch aus einem Schrank neben der Tür zu holen. Ich sah ihn an, als sein Kopf abgewandt war, so dass keine Chance bestand, dass er mich anschaute. Er hatte sein Hemd ausgezogen, trug aber sehr nasse Jeans und Tennisschuhe.
Sobald er das Gewicht verlagerte, um sich umzudrehen, senkte ich den Blick wieder. Er kam zurück in die Kabine und trocknete mich mit einem flauschigen, duftenden Handtuch ab. Es war zu lange mit einem Antistatiktuch im Trockner gewesen, also nahm es das Wasser nicht besonders gut auf, obwohl es so dick war. Aber ich verkniff es mir, ihm das zu sagen.
So nahe bei ihm konnte ich riechen, wie dicht er immer noch vor einem Ausbruch stand, also schaute ich zu Boden und verhielt mich unterwürfig, während er seine Laune abarbeitete, indem er sich um mich kümmerte.
Ich kann sehr gut Unterwürfigkeit spielen. Das ist eine
Überlebenstechnik, wenn man in der Nähe von Werwölfen lebt.
Er hielt inne, als er meinen Bauch erreichte. Er ließ das Handtuch fallen und sank auf ein Knie, bis sein Gesicht auf Höhe meines Nabels war. Er schloss die leuchtenden Augen und drückte seine Stirn gegen die verwundbare weiche Stelle unter meinen Rippen.
Das Fleisch des Bauchs ist zart, saftig und ungeschützt. Aber meine Nase sagte mir, dass er eindeutig nicht an Essen dachte. Einen atemlosen Augenblick warteten wir beide.
»Samuel hat mir von deiner Tätowierung erzählt«, sagte er, sein Atem warm an meiner Haut.
Hatte er sie noch nicht gesehen? Aber vorsichtig zu sein, um ihn nicht in Versuchung zu führen, bedeutete, dass ich in seiner Nähe die Kleidung anbehielt – also stimmte das wahrscheinlich.
»Es ist der Pfotenabdruck eines Kojoten«, sagte ich. »Ich habe es machen lassen, als ich auf dem College war.«
Er hob den Kopf, bis er zu mir aufblickte.
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