Mercy Thompson 04 - Zeit der Jäger-retail-ok
gegen die Wölfe gerichtet war. Ich wusste allerdings nicht, woher Onkel Mike es wusste, aber er
knurrte: »Schaff dieses Ding hier raus«, bevor er wieder in der Menge verschwand.
Wie in einem Dr-Seuss-Gedicht kletterte ich unter, über und an Dingen vorbei, bevor ich es aus der Tür schaffte. Ich hätte mich besser gefühlt, hätte ich nicht gewusst, dass jemand, den ich kannte – denn ich kannte alle aus Adams Rudel zumindest vom Sehen –, tot war. Ich hätte mich auch besser gefühlt, wenn ich gewusst hätte, dass es Adam gutging. Ich hätte mich allerdings schon damit zufrieden gegeben, keinen riesigen Berg von wütendem … Schnee-Elfen in Hochgeschwindigkeit hinter mir zu haben.
Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der sich selbst Elf nannte, also war meine Erwartung wahrscheinlich von Peter Jacksons’ Version von Tolkiens schönem Volk geprägt. Das Ding, das mir wie ein Güterzug folgte, passte absolut nicht zu meiner Deutung dieses Wortes.
Später, wenn ich das überlebte, würde ich mich wahrscheinlich über das Gesicht des Türstehers amüsieren, dem plötzlich aufging, was da auf ihn zukam – einen Moment, bevor er losrannte. Ich schoss an ihm vorbei und wir beide sprangen die kleine Stufe auf den Asphalt hinunter. Er blieb ein paar Schritte neben mir, bis er sich ausrechnete, wen der Schnee-Elf eigentlich jagte, dann bog er scharf rechts ab.
Der Türrahmen bremste das Monster kurz. Es traf ihn mit der Schulter und nahm die gesamte Wand mit, als es das Gebäude verließ. Dann warf es ein Wandstück nach mir, aber ich sprang ein zweites Mal durch die halboffene Tür, eine Sekunde, bevor sie zu Boden krachte. Ich überquerte die Straße mit voller Geschwindigkeit und entkam nur knapp dem Schicksal, von einem Sattelzug überfahren
zu werden, der auf dem Weg zu dem Industriegebiet neben Onkel Mike’s war. Sicher auf der anderen Seite warf ich einen Blick über die Schulter und hielt dann an.
Der Mann, der der Schnee-Elf gewesen war, lag am Rand des Parkplatzes auf den Knien und schüttelte den Kopf, als wäre er leicht betäubt gewesen. Er schaute zu mir herüber. Die silbernen Augen waren immer noch die gleichen.
»Sind Sie in Ordnung?«, fragte er. »Es tut mir leid, so sehr leid. Ich habe mich nicht mehr so gefühlt seit … seit meinem letzten Kampf. Ich habe Sie nicht verletzt, oder?« Sein Blick wanderte zu den Brocken aus Wand und Tür, die von dem Geschoss übrig waren, das er nach mir geworfen hatte.
Die Wirkung der kleinen Tasche war offensichtlich in ihrer Reichweite beschränkt.
Ich ließ den Beutel zu Boden fallen, schüttelte mich und gab ein ›Alles okay‹-Jaulen von mir. Ich war mir nicht sicher, ob er die Botschaft verstanden hatte, aber er versuchte nicht, die Straße zu überqueren. Ich hätte mich ja zurückverwandelt, aber meine Kleidung – mein Lieblingskleid, ein paar (sogar im Schlussverkauf) teure italienische Sandalen und meine Unterwäsche – lag immer noch irgendwo in der Bar. Ich bin nicht prüde, aber der Schnee-Elf und ich kannten einander nicht gut genug, als dass ich vor ihm hätte nackt sein wollen.
Er versuchte verwirrt, das Chaos aufzuräumen, das er angerichtet hatte, während die Leute anfingen, die Bar zu verlassen. Einer von Onkel Mikes Leuten, von den Gästen leicht durch sein leuchtend grünes Wams zu unterscheiden –, stand am Rand des Parkplatzes und bedeutete mir mit Gesten, weiter zurückzuweichen. Ich glaubte,
den Türsteher zu erkennen, aber ich hätte sein Gesicht nochmal in einer Maske des Terrors sehen müssen, um sicher zu sein.
Ich hob die Tasche hoch und wich fast zwölf Meter von der Straße zurück, bis ich mit dem Hintern gegen ein altes Lagerhaus stieß, das ungefähr fünfzig Meter von der Straße entfernt war.
Onkel Mikes Parkplatz leerte sich nach und nach. Die Angestellten der Bar regelten den Verkehr und halfen dem Schnee-Elfen bei seinen Aufräumbemühungen. Adams Auto blieb in einsamer Pracht zurück.
Genauso wie Mary Jos Jeep. Der, den ich umsonst ein wenig aufgemotzt hatte, als sie ihre Schicht in den Bewachden-schwächlichen-Kojoten-Pflichten übernommen hatte. Ich mochte Mary Jo. Sie arbeitete bei der Feuerwehr, ein Meter sechzig zähe Muskeln und noch zähere Nerven.
Einer aus dem Rudel war tot. In der plötzlichen Stille der Nacht konnte ich eine Welle der Trauer fühlen, die sich durch das Rudel ausbreitete, als einer nach dem anderen anerkannte, dass einer der Ihren fehlte. Sie wussten, wer es war, aber ich war
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