Mercy Thompson 04 - Zeit der Jäger-retail-ok
Augen und holte tief Luft.
Manchmal erscheinen Geister nur dem einen oder anderen Sinn. Manchmal kann ich sie nur hören – manchmal rieche ich sie. Aber das Bad roch nach Seife und Shampoo, Wasser und diesen komischen blauen Tabletten, die manche Leute ohne Haustiere in ihre Toiletten werfen.
Ich konnte auch nichts sehen oder hören. Aber das hielt die Haare in meinem Nacken nicht davon ab, sich aufzurichten, als ich das Hemd über den Kopf zog und in die Seitentasche meines Koffers stopfte. Ich schrubbte meine Hände, bis sie überwiegend sauber waren, bürstete mir den Dreck aus den Haaren und flocht sie neu. Und die ganze Zeit konnte ich spüren, dass jemand mich beobachtete.
Vielleicht war es ja nur die Macht der Suggestion. Aber ich machte mich trotzdem so schnell wie möglich fertig. Keine geisterhafte Schrift an der Wand, niemand erschien im Spiegel oder bewegte Dinge durch den Raum.
Ich öffnete die Badezimmertür und fand Amber, die direkt vor der Tür ungeduldig wartete. Ihr fiel nicht auf, dass sie mich erschreckt hatte.
»Ich muss Chad zum Softball-Training fahren, und dann ein bisschen für heute Abend einkaufen. Willst du mitkommen?«
»Warum nicht?«, meinte ich mit einem beiläufigen Achselzucken. Der Gedanke, allein in diesem Haus zu bleiben, übte keinerlei Reiz auf mich aus – was war ich nur für ein toller Geisterjäger. Nichts war passiert, und ich war jetzt schon nervös.
Ich nahm den Beifahrersitz. Chad warf mir einen finsteren Blick zu, stieg aber dann hinten ein. Ich hatte nicht das Gefühl, als hätte ich ihn tief beeindruckt. Niemand sagte etwas, bis wir Chad absetzten. Er wirkte nicht glücklich.
Amber bewies mir, dass sie taffer war als ich, weil sie den Welpenblick völlig ignorierte und Chad der Sorge seines ziemlich unberührt wirkenden Trainers überließ.
»Also hast du dich entschlossen, nicht Geschichtslehrerin zu werden«, meinte Amber, als sie wieder anfuhr. Sie klang nervös. Der Stress kam von ihr, dachte ich – aber sie war nie besonders entspannt gewesen.
»Entschlossen ist nicht ganz das richtige Wort«, erklärte ich. »Ich habe einen Job als Mechanikerin angenommen, um mich über Wasser zu halten, bis eine Lehrerstelle frei würde … und eines Tages ging mir auf, dass ich selbst dann lieber weiter den Schraubenschlüssel schwingen würde, wenn mir jemand eine Stelle anbieten würde.« Und dann, weil sie mir die Vorlage geliefert hatte: »Ich dachte, du wolltest Tierärztin werden.«
»Ja, na ja, das Leben kam dazwischen.« Sie schwieg kurz. »Chad kam dazwischen.« Das war allerdings ein wenig zu viel Ehrlichkeit für sie, denn danach schwieg sie. Im Lebensmittelladen wanderte ich davon, während sie Tomaten testete – für mich sahen sie alle gleich gut aus. Ich kaufte mir einen Schokoriegel, einfach nur, um zu sehen, wie sehr sie sich verändert hatte.
Nicht sehr. Als sie mit ihrem Vortrag über die Schädlichkeit von raffiniertem Zucker zu einem Ende kam, waren wir fast zurück am Haus. Sie fühlte sich jetzt um einiges wohler – und erzählte mir endlich etwas über ihren Geist.
»Corban glaubt nicht, dass es spukt«, erklärte sie mir, während wir uns durch die Stadt schlängelten. Sie schaute kurz zu mir, dann wieder auf die Straße. »Ich habe eigentlich auch nicht wirklich etwas gesehen oder gehört. Ich
habe ihm nur gesagt, ich hätte, damit er endlich Chad in Ruhe lässt.« Sie holte tief Luft und schaute wieder zu mir. »Er denkt, Chad würde es in einem Internat besser gehen – einer Privatschule für Kinder in Schwierigkeiten, die ihm ein Freund empfohlen hat.«
»Er sah für mich nicht so aus, als hätte er Schwierigkeiten«, meinte ich. »Sind ›Kinder in Schwierigkeiten‹ nicht normalerweise drogensüchtig oder verprügeln die Nachbarskinder?« Chad hatte ausgesehen, als würde er lieber zu Hause bleiben und ein Buch lesen, statt Ballspielen zu gehen.
Amber lachte nervös. »Corban kommt nicht sehr gut mit Chad aus. Er versteht ihn nicht. Es ist das alte Disney-Klischee vom Quarterback-Dad und dem Bücherwurm-Sohn.«
»Weiß Corban, dass er nicht Chads Vater ist?«
Sie trat so hart auf die Bremse, dass ich nähere Bekanntschaft mit der Windschutzscheibe gemacht hätte, wäre ich nicht angeschnallt gewesen. Sie saß für einen Moment still, anscheinend ohne sich des Hupkonzerts um uns herum bewusst zu sein. Ich war froh, dass wir in einem stabilen Mercedes saßen und nicht in dem kleinen Miata, mit dem sie zu meinem Haus gefahren
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