Mercy Thompson 04 - Zeit der Jäger-retail-ok
erkennen.«
»Schön für Sie«, antwortete ich aufrichtig. »Jetzt bin ich müde und muss schlafen.«
Er zog sich aus dem Türrahmen zurück und ging ein Stück den Flur entlang. Aber nach kaum zwei Schritten drehte er wieder um. »Wenn es ein Geist ist, ist Chad sicher?«
Ich zuckte mit den Achseln. Um ehrlich zu sein, machte mir der Geruch nach Blut Sorgen. Meiner Erfahrung nach rochen Geister nach sich selbst. Mrs Hanna, die manchmal meine Werkstatt besucht hatte – sowohl als sie noch lebendig war als auch nach ihrem Tod –, roch nach ihrem Waschmittel, ihrem Lieblingsparfüm und den Katzen, mit denen sie ihr Haus teilte. Ich hielt den Blutgeruch nicht gerade für ein gutes Zeichen.
Trotzdem sagte ich ihm die Wahrheit, so wie ich sie kannte. »Ich bin niemals von einem Geist verletzt worden, und ich kenne nur ein paar Geschichten, wo es passiert ist, aber meistens waren es dann nur Abschürfungen. Die Bell-Hexe hat angeblich vor ein paar Jahrhunderten einen Mann namens John Bell in Tennessee getötet – aber das war wahrscheinlich etwas anderes als ein Geist. Und der alte John starb an einem Gift, das angeblich die Hexe in seine Medizin getan hatte, etwas, was genauso gut von weniger übersinnlichen Händen getan worden sein könnte.«
Er starrte mich an und ich starrte zurück.
»Sie sind mit einem Werwolf zusammen.«
»Das stimmt.«
»Und Sie sagen, es gibt Geister.«
»Und das Feenvolk«, ergänzte ich. »Ich arbeite mit einem von ihnen. Nach Werwölfen und dem Feenvolk ist es doch gar nicht mehr so weit bis zu Geistern, oder?«
Ich schloss meine Tür und ging ins Bett. Nach ein paar langen Minuten zog er sich in sein Schlafzimmer zurück.
Normalerweise habe ich Probleme, an fremden Orten zu schlafen, aber es war ziemlich spät (oder ziemlich früh), und ich hatte auch in der Nacht davor nicht durchgeschlafen. Ich schlief wie ein Baby.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich zwei Bissmale am Hals, komplett mit einem schönen Bluterguss. Sie waren eine wunderschöne Ergänzung zu den Nähten an meinem Kinn. Und meine Kette mit dem Lamm war verschwunden.
Ich starrte den Biss im Badezimmerspiegel an und hörte im Kopf Samuels Stimme, der mir sagte, dass ich mich nicht darauf verlassen sollte, dass Stefan mein Freund war … und Stefan hatte klargemacht, dass er sich nähren musste, um unentdeckt zu bleiben. Ich wusste, dass ein Biss Konsequenzen nach sich zog, aber ich war mir nicht sicher, welche.
Natürlich hatte ich gestern Abend auch noch einen anderen Vampir getroffen. Für einen Moment hoffte ich, er wäre es gewesen. Dass Stefan mich nicht gebissen hatte, während ich schlief. Dann dachte ich kurz darüber nach, wie es wäre, von James Blackwood gebissen worden zu sein, der den Dingen Angst machte, die mir Angst machten. Dann hoffte ich doch wieder, dass es Stefan war.
Stefan hätte allerdings die Einladung ins Haus gebraucht. Hatte ich ihn hereingebeten und er hatte irgendwie die Erinnerung daran gelöscht? Ich hoffte es. Es schien das kleinere von zwei Übeln zu sein.
Die Badezimmertür öffnete sich – ich wollte mir nur die Zähne putzen, also hatte ich die Tür nicht abgeschlossen. Chad starrte auf meinen Hals, dann schaute er mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Und ich hoffte nochmal, dass es Stefan war, weil ich hierbleiben würde, bis ich geholfen hatte … irgendwie.
»Nein«, erklärte ich Chad beiläufig. »Ich habe dich in Bezug auf die Vampire nicht angelogen.« Ich wollte lieber
nicht sagen, dass ich den Biss letzte Nacht abbekommen hatte, wenn er nicht selbst draufkam. Er musste sich neben Geistern nicht auch noch den Kopf über Vampire zerbrechen.
»Ich hätte dir nichts davon erzählen sollen«, sagte ich. »Ich wüsste es zu schätzen, wenn du deinen Leuten nichts davon sagst. Vampiren ist es lieber, wenn niemand weiß, dass es sie gibt. Und sie ergreifen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass es so bleibt.«
Er schaute mich für einen Moment an. Dann zog er einen imaginären Reißverschluss über seine Lippen, verschloss ein imaginäres Schloss und warf den Schlüssel hinter sich: Manche Gesten sind universal.
»Danke.« Ich steckte den Deckel zurück auf meine Zahnbürste und packte meinen Kulturbeutel. »Gab es heute Nacht nochmal Ärger?«
Er schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Arm über die Stirn, um nur in der Vorstellung existierenden Schweiß wegzuwischen.
»Gut. Ist dein Geist auch am Tag öfter aktiv?«
Er zuckte die Achseln,
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