Meridian - Flüsternde Seelen
sicher alles in Ordnung?« Ich umarmte ihn von der Seite.
»Ich fühle mich, als wäre ich direkt gegen eine Mauer gelaufen. Uff.« Als wir uns auf den Rückweg machten, stützte er sich auf mich.
»Also kommen wir morgen wieder hierher?«
Und was tun wir dann? Einzelheiten, Minerva. Oder ist das zu viel verlangt?
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Kapitel 13
A uf dem Nachhauseweg fuhr ich und warf dabei immer wieder einen Blick auf Tens. Sobald wir da waren, ließ er sich aufs Bett fallen.
»Starr mich nicht dauernd an. Es geht mir gut«, murmelte er in die Kissen. Seine Augen waren fest geschlossen.
Ich wandte mich ab und versuchte, geräuschlos die Küche aufzuräumen. Doch es war so wenig Platz, dass ich es nicht schaffte, leise zu sein. Schließlich fiel mir ein Glas herunter, das klirrend zerbrach.
Tens zog sich ein Kissen über den Kopf. »Zu viel Krach«, schimpfte er. »Geh einkaufen oder spazieren … kauf dir für heute Abend etwas zum Anziehen.«
»Rumis Abendessen? Ich glaube nicht. Ich sage ab.« Das hatte ich ganz vergessen. Außerdem war ein geselliger Abend in seinem Zustand wirklich nichts für Tens.
»Nein, das wirst du nicht tun. Wenn ich ein bisschen schlafe, bin ich wieder wie neu. Geh einfach eine Weile raus. Bitte.« Das letzte Wort war eher ein Wimmern.
Ich musste zugeben, dass er recht hatte. Die einzigen Kleidungsstücke, die wir besaßen, stammten aus Supermarktketten. Sachen, die in Dreierpackungen verkauft wurden und die man sich einfach schnappen und mitnehmen konnte. Die Jeans saßen nicht richtig. Die T-Shirts waren entweder zu schlabberig oder zu eng. »Bist du sicher?«
»Klar. Kauf die Läden leer. Und bring mir ein neues Hemd mit. Welches du willst.«
»Was hältst du von Stiefeln?«
»Wenn du Größe achtundvierzig auftreiben kannst.«
»Ist das groß?« Von diesen Dingen hatte ich keine Ahnung. Sammy war gerade der Kindergröße XS entwachsen gewesen.
»Ja, viel Glück dabei. Aber mach dir keine Umstände. Und jetzt verschwinde.« Er kehrte mir den Rücken zu. »Custos, pass auf sie auf.«
Ich drohte Custos mit dem Finger. »Du bleibst hier.« Solange ich nicht da war, um ihn zu beschützen, musste sie diese Aufgabe übernehmen. Insbesondere dann, wenn sie einen direkten Draht zu den Mächtigen hatte.
Zum Glück wurden Carmels Straßen von hübschen Boutiquen gesäumt. Ich entdeckte ein kleines Schwarzes, das bequem und elegant, aber trotzdem ein wenig sexy war. Also genau das Richtige, um Tens zu beeindrucken, ohne die alten Leute beim Abendessen in Verlegenheit zu bringen.
Dann machte ich mich auf die Suche nach Stiefeln für Tens, konnte aber nichts Größeres als sechsundvierzig finden. Das Hemd bereitete weniger Schwierigkeiten. Ich kaufte ein schickes Rugby-Hemd aus Baumwolle-Kaschmir-Gemisch, das so blau war wie der Himmel von Colorado. Es war ein eigennütziger Kauf, denn Tens würde darin traumhaft aussehen und unwiderstehlich weich und kuschelig anzufassen sein.
Während er abends duschte, bewunderte ich mich im Spiegel. Das schwarze Strickkleid schmiegte sich an meine knospenden Kurven. Da dünn und krank für mich dasselbe waren, freute ich mich darüber, dass ich zunahm. Es passte zu mir, und ich fühlte mich gesund und lebendig.
Ich steckte mein Haar hoch und legte die baumelnden Ohrringe an, die ich gekauft hatte. Sie ließen meinen Hals lang und anmutig aussehen, allerdings auch ziemlich nackt. »Fühlst du dich auch sicher wieder wohl?«, fragte ich Tens, als er angezogen aus dem Bad kam. Das zerzauste, feuchte Haar reichte ihm bis zum Kragen.
»Ja, schlafen hat etwas genützt.«
Obwohl ich sicher war, dass er log, widersprach ich nicht. »Wie sehe ich aus?«
»Hmmmm.« Tens betrachtete mich. »Da fehlt etwas.«
»Ein Pulli?« Möglicherweise war es ja kälter, als es den Anschein hatte. Schließlich hatten wir Januar, nicht Juli.
»Mag sein. Aber mach erst mal das hier auf.« Tens reichte mir eine von buntem Seidenpapier und Schleifen strotzende Geschenktüte, die mit dem Emblem des
Helios
versehen war.
Als ich hineingriff, erkannte ich sofort am Gefühl, dass es der tolle smaragdgrüne Schal sein musste, der mir bei unserer Ankunft aufgefallen war. Der, zu dem Joi eine Bemerkung gemacht und Tens dabei vielsagend zugezwinkert hatte.
»Den habe ich für einen besonderen Anlass aufgehoben.« Tens schlang mir den Schal um den Hals und breitete ihn mir vorsichtig über Schlüsselbein und Brüste.
»Danke.« Ich streckte mich, küsste ihn rasch und genoss es, den
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