Meridian
lobpreise Gott, den Herrn des Volkes Israel.«
Er hob die Hände, als wolle er den Chor segnen, und brachte dann alle mit der Bewegung eines Dirigenten zum Verstummen. Die Menschen schwiegen. Ich klammerte mich an Tens’ Hand. Er drückte sie fest.
Dann wandte Reverend Perimo sich an die Gemeinde. »Zuerst möchte ich feststellen, dass ich heute neue Gesichter hier sehe. Wir haben dafür gebetet, dass sie dem Wort des Allmächtigen in ihrem Leben Raum geben und sich uns an dieser heiligen Stätte anschließen werden. Kann ich ein Amen hören?«
»Amen«, erwiderten die Anwesenden im Chor.
»›Stoße ich in die Posaune samt allen, die bei mir sind, dann stoßt auch ihr rings um das ganze Lager in die Posaunen‹«, fuhr Reverend Perimo fort. Als er die Hände hob, erschollen von allen Seiten Trompeten.
»Amen, Amen.« Reverend Perimo stieg in die Kanzel. Seine Gefolgsleute ließen sich hinter ihm in riesigen, kunstvoll verzierten und mit Samt bezogenen Sesseln nieder.
»Ich bin kein großer Redner … ›Der Herr erwiderte ihm: Ich werde mit deinem Munde sein und werde dich lehren, was du reden sollst.‹ Man hat mich gefragt, warum ich mein Priesteramt auf die Bibel stütze, doch ich bin wie ihr nur ein Mensch und damit fehlbar. Das Wort Gottes wurde uns bei der Schöpfung gegeben. Es ist ein wertvolles Geschenk. Die Antwort auf jede Frage steht in diesem Buch.« Er nahmeine riesige Bibel von dem Pult, das vor ihm stand. »Eure Seelen kennen die Wahrheit. Ihr wisst, dass ich wie Moses nur das sage, was der Allmächtige mir vorgibt. Das habe ich euch wieder und immer wieder bewiesen. Wer hat euch geraten, besser auf euer Vieh zu achten?«
»Sie!«, rief eine Frau.
»Und wer hat euch gewarnt, dass herumstreunende Kinder Spielzeuge des Teufels sind?«
»Das waren Sie!« Ein Mann reckte die Faust.
Perimos Tonfall war einlullend, so dass man wirklich fast glaubte, die Bibel würde einem direkt aus dem Himmel übermittelt. Außerdem verlieh die Akustik der Kirche seiner Stimme einen satten Klang, der es beinahe unmöglich machte, an seinen Worten zu zweifeln, während er weiter aus dem Alten Testament zitierte.
Als Tens mir einen Rippenstoß versetzte, betrachtete ich die anderen makellos gewandeten Männer rings um Perimo. »Die, die wie Preisboxer aussehen, sind erst kurz nach ihm in die Stadt gekommen.«
Einer der zwölf erhob sich und ließ den Blick über die ganze Gemeinde schweifen. »›Nimm dich vor ihm in Acht und höre auf seine Einflüsterungen; widerstrebe ihm nicht, denn er würde ein Vergehen von euch nicht ertragen, weil mein Name in ihm ist.‹«
Das Nicken und das dauernde leise »Amen« der Anwesenden zerrten an meinen Nerven.
Reverend Perimo stampfte mit dem Fuß auf. »›Wer den Namen des Herrn lästert, soll des Todes sterben.‹ Das sind starke Worte, meine Brüder und Schwestern, doch der Allmächtige nimmt kein Blatt vor den Mund. Es findet ein Tauziehen um eure Seelen statt. Ihr müsst dafür sorgen,dass eure Familie, eure Freunde und eure Nachbarn alle mit euch in eine Richtung streben. Es ist besser, wenn nur einer in der Hölle schmort, als die gesamte Gemeinschaft zu opfern. Amen?«
»Amen!«, rief die Gemeinde. Einige standen auf und klatschten in die Hände. Tante Merry rutschte auf ihrem Sitz herum und murmelte vor sich hin.
»›Wenn ihr in meiner Satzung wandelt und meine Gebote beobachtet und sie erfüllt, gebe ich euch Regenfälle zur rechten Zeit; der Boden wird seinen Ertrag geben.‹ Wo ist Branson McAfee?«
Ein Mann sprang auf. »Hier.«
»Branson, wie war in diesem Jahr das Ergebnis Ihrer Maisernte?«
»Zweihundert Prozent höher als im Vorjahr.«
»Woran mag das gelegen haben?«
»Ich wurde letztes Jahr zu Weihnachten gerettet.«
»Und der Allmächtige hat Sie dafür mit Überfluss versorgt.«
»Ja, Sir, das stimmt. Außerdem habe ich keine Rückenschmerzen mehr.«
»Eine Heilung! Gelobt sei der Herr. Amen!«
»Amen!«
»›Leistet ihr mir dann auch noch Widerstand und wollt mir nicht gehorchen, so schlage ich euch weitere siebenmal für eure Sünden. Ich sende euch wilde Tiere, die eure Kinder rauben, eurer Vieh zerreißen …‹ Gott weiß alles.« Perimo winkte einen anderen seiner Handlanger herbei.
Der Mann stand auf. »Diese Woche wurde uns die kleine Celia genommen, und zwei Frauen erlitten eine Fehlgeburt. Bevor wir gerettet wurden, mussten wir unserer Stadttäglich beim Sterben zusehen. Der Highway war leer. Niemand hielt an. Kein Mensch zog
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