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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Ich griff nach dem Holzlöffel und schob Tens zu den Kleidern hinüber. »Du bist dran.«
    Ich rührte die Dosensuppe um, bis sie kochte und es in der Höhle nach Hühnerbrühe duftete. Dann zündete ich Kerzen an. Custos ließ sich vor einem Heizstrahler nieder und fing an zu schnarchen.
    Schweigend schlürften wir unsere Suppe und ließen die Wärme und die Nudeln auf uns wirken. Was würde nun werden?
    »Wir sind in Sicherheit. Kein schlechter Anfang für das neue Jahr.« Offenbar konnte Tens meine Gedanken lesen.
    »Aber was machen wir jetzt?«
    »Lass uns ein paar Tage abwarten. Dann sondiere ich die Lage. Wir können eine Weile hierbleiben, doch …«
    »Perimo ist ein Aternoctus. Ich habe ihn am Feuer beobachtet. Außerdem hat er Celia zu sich genommen. Wie können wir ihn bekämpfen?«
    »Deine Tante hat dir geraten, andere Fenestrae zu suchen, richtig? Vielleicht weiß ja eine von ihnen Rat.«
    »Du meinst, wir müssen fort?«
    »Was bringt es, wenn wir bleiben? Sollen sie ihre Kirche ruhig haben, zumindest bis uns etwas eingefallen ist, wie wir Perimo endgültig schachmatt setzen können. Denn falls er die Möglichkeit bekommt, dich zu töten, wird er es tun.«
    »Das ist mir klar. Ich wünschte nur, ich wüsste mehr über die Kriegerengel und darüber, wie man sie herbeiruft.«
    »Wir können ja versuchen, einen herbeizuträumen oder zu beten. Aber für heute Abend wollen wir es gut sein lassen. Ich bin total erledigt. Möchtest du schlafen gehen? Sauber machen können wir ja später.« Er sah aus, als würde er jeden Moment umkippen. Seine Wangen waren gerötet und glühten, seine Augen funkelten glasig.
    Tens und ich entrollten die auch für Temperaturen unter zwanzig Grad minus geeigneten Schlafsäcke und breiteten die dicken Matten als Polster aus. Ich wusste nicht, ob ich neben ihm oder auf der anderen Seite des Raums schlafen sollte. Am liebsten hätte ich mich an ihn gekuschelt, damit ich auch im Tiefschlaf nicht allein war. Aber mir fehlte der Mut, ihn zu fragen. Also pustete ich alle Kerzen aus und löschte die Laternen bis auf eine. Tens kroch in seinen Schlafsack und war sofort eingeschlafen. Als seinAtem regelmäßig ging, warf ich Custos einen hilfesuchenden Blick zu.
    Schließlich schlüpfte ich selbst in meinen Schlafsack und rutschte dicht an Tens heran. Kurz wachte er auf und zog mich an sich. Mein Kopf passte ausgezeichnet in die Kuhle zwischen seinem Kopf und seiner Schulter. Ich machte die letzte Laterne aus, worauf die Höhle in ein tiefes Schwarz getaucht wurde. Tens rückte noch ein Stück näher, und ich lauschte seinem Atem und Custos’ Schnarchen. Er war so warm, dass ich rasch einschlief. Aber ich träumte nicht.
     
    Ich wachte auf, blinzelte in die Dunkelheit und tastete nach dem Schalter der Lampe. Dann warf ich einen Blick auf die Armbanduhr, die Tens immer trug. Zwei Uhr. Allerdings hatte ich keine Ahnung, ob es Tag oder Nacht war. Deshalb kroch ich so leise wie möglich aus meinem Schlafsack. Tens rührte sich nicht.
    Ich zog mich an, brachte unsere nassen Kleider in den hinteren Raum und drapierte sie auf dem gusseisernen Gitter über dem Luftschacht. Anschließend putzte ich mir die Zähne und kramte ein wenig herum. Da ich wusste, dass ich in den letzten Tagen viel mehr geschlafen hatte als Tens, wollte ich, dass er das möglichst nachholte.
    Ich fand meinen Rucksack und öffnete ihn. Darin befand sich ein billiges Mobiltelefon, das tatsächlich aufgeladen und sprechbereit war, nur dass es hier keinen Empfang gab. Außerdem entdeckte ich Tante Merrys in Leder gebundenes Tagebuch, den Brief, den sie mir geschrieben hatte, einige Bündel Geldscheine und Kontounterlagen auf meinen Namen. Dabei lagen ein paar der Schundromane, dieich schon seit Beginn dieses Abenteuers mit mir herumschleppte.
    In der Hoffnung, meine Tante könnte mir noch eine letzte Nachricht hinterlassen haben, blätterte ich zum Ende des Tagebuchs. Ich lächelte.
Mein liebes Kind,
lass mich los. Wenn Du das hier liest, hast Du die richtige Entscheidung getroffen. Vertraue Tens. Und achte auf ihn. Die Liebe ist ein kostbares Geschenk – eines, an das keine Bedingungen geknüpft sind. Wünsche Dir immer das Beste für ihn, auch wenn ihr einmal verschiedener Ansicht seid. Er wird es umgekehrt genauso halten.
    Ich habe einhundertundsechs Jahre lang gelebt. Sie sind an den Rändern abgenützt und müssen ausgebessert werden. Ich brauche Ruhe. Ich weiß nicht, wie viele Jahreszeitenwechsel Du miterleben

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