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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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bist doch so oft mit ihm zusammen, hast du dir seine Hände mal genauer angeschaut? Die Narben stammen nicht von einem Arbeitsunfall. Seine Mutter hat ihm die Hände auf eine heiße Herdplatte gedrückt, da war er sechs Jahre alt. Es war in der Woche vor Weihnachten, sie backte Plätzchen, und er hatte am Teig genascht. Und abends nahm sie ihn wieder mit ins Bett, da wurde er gestreichelt und geküsst, da war er ihr Bester. Er schlief noch in ihrem Bett, als er schon vierzehn war. Ob das eine harmlose Angelegenheit war, weiß ich nicht. Er kann nicht offen darüber reden. Deshalb vermute ich, es war alles andere als harmlos. Es sind nicht immer nur die kleinen Mädchen, die missbraucht werden, Papa. Bei Jungs gibt es das genauso oft, und die werden ebenso wenig damit fertig. Da muss man sich nicht wundern, wenn sie als Männer nicht imstande sind, eine vernünftige Beziehung zu einer Frau aufzubauen. Aber vielleicht kann Dieter es noch lernen.»
    «Und du willst ihm das beibringen?», fragte Merkel und schüttelte den Kopf. «Da hast du dir aber eine Menge vorgenommen.»
    Sie lächelte nicht mehr, sie lachte. «Ich nehme mir immer eine Menge vor, Papa, und meistens schaffe ich mein Pensum.»
    So war das mit den Dienstagen. Ein kräftiges Frühstück und ein gutes Gespräch über andere Leute, so empfand Merkel es. Dass sie ihm Beispiele vor Augen führte in der Hoffnung, er möge sich darin wieder finden, seine eigenen Probleme erkennen und seinen Teil dazu beitragen, sie zu lösen, registrierte er gar nicht. Aber ein paar hatte er ja auch schon gelöst, ohne dass es ihm großartig aufgefallen wäre.
    Als es erneut auf Weihnachten zuging, überlegte er tatsächlich, wie er es anstellen könne, sie wenigstens für eine Stunde zu sehen und ihr seine Geschenke zu überreichen. Eine neue Kaffeemaschine für sie und eine Plüscheule für seinen Enkel, in deren Bauch eine Spieluhr steckte. Wenn man an einer Schnur zog, erklang die Melodie eines Liedes, an das Merkel sich noch gut aus seiner eigenen Kindheit erinnerte.
    «Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein Fuß, hat ein Zettel im Schnabel, von der Mutter einen Gruß.»
    Das hatte Mutter Seifert vor ewigen Zeiten im Kinderheim ständig auf den Lippen gehabt. Merkel hatte es nur zufällig gehört, als er früh zum Dienst erschien und eine späte Kundin aus der Spielwarenhandlung kam mit so einer Plüscheule in der Hand. Die Frau zog an der Schnur, um ihrem Mann das Lied vorzuspielen. Merkel war sofort rein in den Laden, zum Glück hatten sie noch eine Eule.
    Aber er befürchtete, dass Irene an den Feiertagen keine Zeit für ihn hatte. Dass sie mit dem Säugling in die Berge fuhr wie im vergangenen Jahr, glaubte er zwar nicht, aber sie musste bestimmt die Schwiegereltern besuchen. Oma und Opa Brandes, von denen Agnes nicht sagen konnte, ob es nette Leute waren. Es interessierte ihn eigentlich auch nur am Rande, man wusste halt gerne, mit wem Leute, die einem etwas näher standen als der große Rest der Welt, privat zu tun hatten.
    «Ich glaube, ihr Schwiegervater ist ein ganz patenter Mann», sagte Agnes. «Gernots Mutter hat einen Jugendfimmel, liegt dreimal in der Woche bei einer Kosmetikerin, hat sich schon zweimal liften lassen und zieht sich an, als wäre sie zwanzig. Dass Irene sich mit dem Kleinen lange bei ihr aufhält, kann ich mir nicht vorstellen. Er könnte ja auf ein Chanel-Kostüm spucken, dann wäre was los. Sie kommt bestimmt einen Nachmittag zu uns, Hein.»
    Natürlich kam sie alleine, das heißt, mit ihrem Baby, aber ohne Mann. Gernot sei mit seinen Eltern für ein paar Tage in die Berge gefahren, sagte sie, als Agnes nach ihm fragte, er brauche ein bisschen Erholung nach dem ganzen Stress der letzten Monate. Agnes runzelte zwar die Stirn, sagte aber nichts.
    Über die Kaffeemaschine freute Irene sich sehr, obwohl die Kanne einen winzigen Sprung hatte. Noch mehr freute sie sich über die Plüscheule für den Kleinen. Und Merkel freute sich über die beiden Wollhemden und den dicken Pullover. «Kann ich gut gebrauchen», sagte er und fand, dass es sich gelohnt hatte, sie in der Kneipe zurückzuhalten, als sie zum ersten Mal kam.

11. Kapitel
    Das ganze Frühjahr hindurch lachte sie ihm entgegen, wenn sie die Tür für ihn öffnete. Ab Mai trug sie dabei jedes Mal ihren Sohn auf dem Arm. Anfang Juli war Patrick bereits neun Monate alt. Ein kräftiges Kind für sein Alter. Fremde meinten immer, er müsse mindestens ein Jahr alt sein. Und ein

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