Merkels Tochter. Sonderausgabe.
Fragebogen für Ziriak besorgt, wie sie für die theoretische Fahrprüfung benutzt wurden. Nun hatte er nichts anderes mehr im Kopf, wollte den Führerschein machen und auf gar keinen Fall die Lehrstelle in einer großen Gärtnerei antreten, die sie ihm beschafft hatte.
«Ich habe ihm tüchtig den Kopf zurechtgesetzt», sagte sie.
«Fahren kann er auch als Gärtner. Und in seinem Alter wird es höchste Zeit, entweder er bekommt den Fuß jetzt in die Tür oder nie mehr.»
«Führerschein», sagte Merkel tadelnd. «Warum setzt du ihm auch so einen Floh ins Ohr? Kauf ihm lieber ein Fahrrad. Selbst wenn du es schaffst, ihm den ganzen theoretischen Kram einzupauken, bei der praktischen Prüfung kannst du nicht neben ihm sitzen. Was er mit dem Prüfer anstellt, wenn der ihm sagt, er hat nicht bestanden, stell ich mir lieber nicht vor. So einen Haudrauf kannst du doch nicht mit dem Auto auf die Menschheit loslassen.»
Sie winkte ab, unwillig, wie ihm schien. «Der Junge ist nicht halb so aggressiv, wie er immer tut. Er spielt gern den starken Mann. Aber wenn ich aufgewischt habe, zieht er bei der Tür die Schuhe aus. Gestern hat er hier über eine Stunde auf dem Boden gelegen und mit Patrick gespielt, damit ich mal schnell über die Fenster wischen konnte. Das hättest du sehen müssen, dann würdest du anders über ihn denken. Natürlich wehrt er sich seiner Haut, aber tun wir das nicht alle?»
Merkel zuckte mit den Schultern und fragte sich flüchtig, wann Ziriak denn mit dem Kleinen gespielt haben sollte, bevor oder nachdem sie ihm den Kopf zurechtgesetzt hatte? Dass so einer sich zusammenstauchen ließ und sich dann friedlich zu einem Baby auf den Boden legte, konnte er sich nicht vorstellen.
Sie begann von Ohloff zu sprechen. Er war wieder einmal fristlos entlassen worden, weil er Zoff mit einer Frau gehabt und seine Wut am Vorarbeiter ausgelassen hatte. Merkel hatte es erst am vergangenen Abend in der Kneipe erfahren. Da hatte Ohloff sich benommen, als habe er diesmal mit dem Rauswurf das große Los gezogen. «Jetzt hab ich genug Zeit für ein paar Dinge, die dringend erledigt werden müssen», hatte er gesagt, war auch nicht so lange geblieben wie sonst, hatte nur einen Kaffee getrunken und ein Mineralwasser, weil er noch fahren musste. Darum kümmerte er sich sonst einen Dreck, da stieg er auch mit fünf Bier im Leib noch ins Auto.
Von der fristlosen Kündigung wusste Irene anscheinend schon seit ein paar Tagen und war auch besser informiert über die Hintergründe, die Probleme mit irgendeiner Frau, von der Merkel nicht mal den Namen kannte. Bei ihm hatte Ohloff nur hin und wieder eine Andeutung gemacht, er habe jetzt etwas wirklich Schnuckeliges, ein Zuckertäubchen, die Frau fürs Leben, wenn es nach ihm ginge. Diesmal wolle er nichts falsch machen.
«Um Dieter mache ich mir Sorgen», sagte Irene. «Er bekommt seine Gefühle einfach nicht in den Griff. Dabei ist er wahrhaftig nicht der Einzige, bei dem nicht alles so läuft, wie er sich das vorstellt. Weißt du, dass er mich manchmal an dich erinnert? Ich meine, so wie du früher warst. Mutti hat mir einmal davon erzählt.»
Das entsprach nicht den Tatsachen. Erzählt hatte Agnes. Aber das war ja nicht so wichtig. Allein die Erwähnung ihrer Mutter reichte schon. Er zuckte zusammen, und sie stellte sachlich fest: «Du willst nicht über sie sprechen.»
Als er den Kopf schüttelte, fragte sie hörbar weicher:
«Warum nicht, Papa? Schau, es ist zwanzig Jahre her. Inzwischen solltest du genug Abstand haben. Oder willst du noch zwanzig Jahre lang aller Welt ins Gesicht schreien, geht mir aus dem Weg?»
Als er ihr nicht antwortete, seufzte sie vernehmlich. «Ihr seid euch wirklich sehr ähnlich, Dieter, der Junge und du.
Spielt den starken Mann, und jede Kleinigkeit bringt euch aus der Fassung.»
«Also eine Kleinigkeit war das damals nicht», protestierte Merkel. «Komm du mal nach Hause und erwisch deinen Mann mit einer anderen im Bett. Dann denkst du anders darüber.»
«Mag sein», räumte sie ein. «Aber ich würde anschließend bestimmt nicht alles daransetzen, mir selbst den Rest zu geben.» Ihre Stimme wurde um eine Spur eindringlicher.
«Kein Mensch ist es wert, dass man sich für ihn ruiniert, Papa. Man sollte immer den eigenen Wert kennen. Dieter kennt ihn nicht, der Junge kennt ihn nicht. Und auch du hast ihn bis heute nicht erkannt.»
Merkel betrachtete die Brotkrümel auf seinem leeren Teller und fragte sich, was plötzlich in sie gefahren war. Starker
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