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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Stapel.
    Über einer Stuhllehne hing die neue Hose. Sie hatte sich ein Nadelkissen bereitgelegt, ließ ihn die Hose anziehen und markierte den neuen Saum. «Heute schaffe ich das aber nicht mehr», sagte sie dabei. «Ich kürze sie dir morgen früh, dann kannst du sie am Nachmittag abholen.»
    «Es eilt nicht», sagte er. «Ich kann sie auch nächste
    Woche wieder mitnehmen.» «Nein, morgen», sagte sie eindringlich. «Wenn der Kleine im Bett ist, habe ich Zeit.» 
    Das war von zehn bis zwölf am Vormittag. Auch wenn Patrick nicht die ganze Zeit schlief, er war daran gewöhnt, diese beiden Stunden in seinem Bett zu verbringen. Sie erledigte währenddessen all die Arbeiten, bei denen sie ihn nicht mit sich schleppen konnte. Was sie in der Zeit nicht schaffte, musste liegen bleiben. Merkel wusste das, kannte ihren Tagesablauf ganz genau, weil sie oft genug davon erzählt hatte. Aufstehen um sechs, weil der Junge dann nach seiner ersten Mahlzeit und einer frischen Windel verlangte. Wenn sie ihn versorgt hatte, legte sie sich noch einmal mit ihm zusammen, hin und döste ein bisschen, solange der Bengel sie ließ. Für ihren Mann stand sie nicht auf, der musste sich sein Frühstück alleine machen, trank sowieso meist nur einen Kaffee. 
    Das hatte sie vor einigen Wochen mal beiläufig erwähnt. Merkel hatte sich nichts dabei gedacht. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass es möglicherweise für eine zerrüttete Ehe sprach. Seine Frau war immer mit ihm aufgestanden. Andererseits war das nun wirklich kein Beweis für eine Traumehe gewesen. Um acht war es meist vorbei mit ihrer Ruhe. Sie nahm den Jungen mit ins Bad, ließ ihn dort krabbeln, während sie duschte. Dann frühstückte sie, räumte auf, trug den Kleinen dabei auf dem Arm oder hatte ihn zumindest in der Nähe. Um zehn legte sie ihn hin. Um zwölf war er hungrig, bekam einen Gemüsebrei und beschäftigte sie bis um zwei. Dann schlief er noch einmal, aber nur für eine Stunde. Er hielt sie ganz schön auf Trab. Und weil sie nachmittags ohnehin nicht mehr viel schaffte, hatte sie die Leute, die noch häufig zu ihr kamen, gebeten, am Nachmittag zu kommen. Es gab nur vier Ausnahmen. Die große war er mit dem Dienstagmorgen. Helmut Ziriak kam immer um die Mittagszeit, da musste Irene sich zwar auch mit dem Kind beschäftigen, aber dafür kam Ziriak dreimal in der Woche. Frau Bodewig oder ihr ältester Sohn kamen immer dann, wenn sie Hilfe brauchten. Auch Ohloff hatte keine festen Termine, durfte jedoch nicht unangemeldet erscheinen. Er musste vorher anrufen und fragen, ob es recht sei, damit er sich an gewisse Spielregeln gewöhnte. Aber sie hatte ihm noch nie gesagt, dass es für sie nicht passte. «Ich komme dann so gegen drei», sagte Merkel. 
    Er selbst schlief nach dem Nachtdienst bis Mittag. Dann waren noch ein paar Einkäufe zu erledigen, eine Kleinigkeit essen, und der Weg bis zu ihr hinaus, das war eine Stunde mit dem Rad. Und eine Stunde zurück in die Stadt. Um halb acht spätestens musste er im Einkaufszentrum sein und vorher den Hund noch abholen. Es war ja nicht sein Hund, für ihn war Leo mehr so eine Art Kollege. «Aber lange aufhalten kann ich mich dann nicht.» «Muss auch nicht sein, Papa», meinte sie. Es war fast zwölf, als er sich von ihr verabschiedete. Sie brachte ihn zur Tür, wie sie es immer tat, schaute ihm nach, wie er sein Rad zur Straßenecke schob. Dort blieb er noch einmal stehen und winkte ihr zu. Sie winkte zurück und lachte. Aber es war nicht wie sonst, ihr Lachen, es sah müde aus. Viel fehlte nicht, und Merkel wäre noch einmal umgekehrt, hätte sie in die Arme genommen und gesagt: «Na komm, erzähl mal, was los ist. Woher weißt du denn so genau, wie das ist?» Er kehrte nicht um. Morgen, dachte er, oder besser am nächsten Dienstag, dann hätten sie mehr Zeit. Aber es sollte für seine Tochter keinen nächsten Dienstag mehr geben.

13. Kapitel
    Eigentlich war Ulla Fendrich die Todgeweihte am Rosenweg. Sie war vor drei Jahren an einem Hirntumor erkrankt, hatte eine Operation und unzählige Bestrahlungen über sich ergehen lassen und begriffen, dass sie ihr Leben völlig umstellen musste, wenn sie weiterleben wollte. Also raus aus der Stadtwohnung, viel Ruhe, viel frische Luft und viel Muße für sich selbst, nur noch das tun, was wirklich Spaß machte.
    Seit ihrem Einzug in den Flachdachbungalow war Ulla Fendrich überzeugt, es sei ihr Sarg, der als Erster aus der Gartenstadt herausgeschafft würde. Stattdessen wurde sie für

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