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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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hast du dich nicht gemeldet?»
    Merkel wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Wozu hätte er sich melden sollen? Um was zu sagen? Irene ist tot! Hat sich abschlachten lassen von einem Idioten, der nicht lesen und nicht schreiben kann. Was hätte sich geändert, wenn er damit zu Kurt gerannt wäre? Nichts! Oder doch, die Ermittler hätten eine Verhaftung vorgenommen. Das würden sie schon noch tun über kurz oder lang, war nur eine Frage der Zeit. Er sah nicht ein, dass er ihnen die Arbeit abnehmen sollte. Sie mussten sich doch nur die Unterlagen ihrer früheren Dienststelle holen. Dass Helmut Ziriak für Irene nie ein Fall gewesen war, über den sie eine Akte angelegt hatte, wusste er nicht, wie er noch so vieles nicht wusste. Vieles wollte er auch gar nicht wissen.
    Kurt beließ es nicht bei seinen Vorwürfen, musste ihm auch noch unbedingt beschreiben, wie sie gestorben war. Den Obduktionsbericht hatte er zwar noch nicht gesehen. Freitagnachmittag! Der Bericht lag im Büro des zuständigen Staatsanwalts, der hatte schon kurz nach Mittag Feierabend gemacht und sein Büro abgeschlossen. Von Heinen hatte Kurt einen mündlichen Bericht erhalten, der sich auf die erste Untersuchung vor Ort bezog.
    Bei aller Unsicherheit war der junge Gerichtsmediziner sehr gründlich gewesen. Eine Prellung im Scheitelbereich hatte er festgestellt und siebzehn Stich- oder Schnittwunden gezählt, alle im Schulterbereich und im Rücken.
    «Sie hatte nicht die geringste Chance», sagte Kurt. «Keine Abwehrverletzungen. Der Angriff muss für sie aus heiterem Himmel gekommen sein. Wir gehen davon aus, dass sie vor der Nähmaschine saß.»
    Das klang in Merkels Ohren, als sei die verfluchte Hose schuld. Und wir, sagte Kurt, als ob er persönlich die Ermittlungen leitete. Er wusste doch gar nicht mehr, wie das war, an einen Tatort kommen, vor einem Mordopfer stehen und das Blut sehen, all das Blut. Der ganze Fußboden voll und die Wände beschmiert. Siebzehn Wunden, alle im Rücken. Und er sah ihren Rücken immer noch so, wie er vor zwei Jahren gewesen war, als sie nach dem ersten Kaffee in der Kneipe wieder gehen wollte und er sagte: «Warte einen Moment, Irene.»
    «So wie es aussieht, wurde sie zuerst niedergeschlagen mit einem kleinen, quadratischen Gegenstand, wahrscheinlich einem Hammer, den der Kerl sich von einer Baustelle geholt haben könnte», fuhr Kurt fort. «Er soll sich oft auf Baustellen herumgetrieben haben. Allerdings nicht am Mittwoch, jedenfalls hat ihn am Mittwoch keiner gesehen, mit Ausnahme des Arbeiters, der sich heute gemeldet hat. Aber es gibt ein paar Rohbauten, an denen zurzeit nicht gearbeitet wird, wo trotzdem einiges an Werkzeug herumliegt. Da könnte er die Zeit bis um zwei überbrückt haben.»
    Dann sprach Kurt von Lukas Heinen. Ein guter Mann, wenn nicht sogar einer der besten. Er tat, was er konnte. Doch auch der beste Mann stieß rasch an seine Grenzen, wenn er keine vernünftigen Auskünfte bekam. Mit Brandes wollte Kurt auch noch ein ernstes Wort über Friedmann Gersolek reden.
    Merkel konnte ihm kaum zuhören. Kurt setzte sich auf einen der beiden Stühle, die beim Tisch standen, und zwang ihn damit, sich aufs Bett zu setzen. Obwohl sein Bett am Nachmittag immer zur Couch umfunktioniert war, war es genauso ein Bett wie das, auf dem er sie gefunden hatte. Er hatte sich am Morgen nicht hineinlegen können, sich mit einem Kissen und der Decke auf dem Fußboden ausgebreitet. Jeder Knochen tat ihm weh.
    Als er nicht reagierte, erkundigte Kurt sich: «Was ist los mit dir, Hein? Du tust, als ginge dich das einen Dreck an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du wirklich so darüber denkst. Agnes und ich, wir hatten den Eindruck, dass ihr euch in den letzten Monaten doch viel näher …» Mitten im Satz brach er ab und formulierte anders: «Dass ihr euch gut verstanden habt in letzter Zeit.»
    «Dachte ich auch», sagte Merkel.
    Und Kurt erklärte in versöhnlicherem Ton: «Ich kann nachfühlen, wie dir zumute ist, Hein. Ich kann es ja auch nicht fassen. In der vergangenen Woche war Irene noch da mit dem Kleinen. Am Donnerstag, sie hatte in der Stadt zu tun und schaute immer mal rein, wenn …»
    Wieder brach Kurt ab, schüttelte den Kopf und ließ ein paar Sekunden verstreichen, ehe er weitersprach: «Ich begreife es nicht. Der Kerl soll oft bei ihr gewesen sein, dreimal pro Woche, montags, mittwochs und freitags, sagte die Nachbarin. Offenbar hat Irene versucht, ihm das Lesen beizubringen. Was für einen

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