Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
Vom Netzwerk:
Lenkrad und murmelte nur: «Hein, mach doch keinen Scheiß, Hein. Ich war’s nicht.»
«Natürlich nicht», sagte Merkel. «Ziriak war es nicht. Die Bodewig war es nicht. Du warst es nicht. Allmählich fange ich an zu glauben, der Kleine war’s. Deshalb sind die Stiche auch nicht so tief.» Während er sprach, zog er mit der freien Hand ein paar Stücke der Seidenschnur aus der linken Jackentasche. Seine Stimme wurde unvermittelt hart, als er übergangslos verlangte: «Leg die Hände oben aufs Lenkrad.»
Das war ein gefährlicher Augenblick. Er musste den Dolch wegnehmen, um Ohloffs Hände zu fesseln. Wenn der die Situation nutzte und zuschlug. Aber Ohloff dachte gar nicht daran, etwas zu nutzen. Wie ein folgsames Kind legte er beide Hände oben auf dem Lenkrad zusammen.
Merkel begriff nicht, warum er nicht einmal einen Versuch machte, sich zu wehren. Alles Mögliche schoss ihm in diesem Moment durch den Kopf, nur ihre Stimme nicht, die von der Anhänglichkeit sprach, von den zaghaften und dennoch hartnäckigen Bemühungen, einen Vater zu finden.
«Hast du überhaupt eine Ahnung, Papa, wie wichtig du für Dieter bist?»
Nein, Merkel hatte keine Ahnung, er brauchte auch keine, weil es für ihn keinen Dieter gab. Für ihn gab es seit Jahr und Tag nur einen Ohloff, der mit einem Messer auf eine wehrlose Frau losging und ihm auch noch treuherzig erzählte, er habe sie abstechen wollen. Merkel hatte auch keine Ahnung, dass damals ein Aufseher zu Ohloff gesagt hatte, der Mann, mit dem er die Zelle teilen müsse, sei ein eiskalter Hund, habe erbarmungslos einen Familienvater abgeknallt und bisher nicht die Spur von Reue gezeigt, vermutlich keinen Funken Gefühl im Leib. Was sollte man einem eiskalten Hund denn anderes erzählen, als dass man selbst auch einer war?

33. Kapitel
    Ohloff stammelte alle möglichen und unmöglichen Beteuerungen, appellierte an seine Vernunft, als Merkel den Dolch zwischen die Zähne nahm und ihm mit flinken Bewegungen die Handgelenke zusammenband. Dabei saß Ohloff steif wie ein Besenstiel, ließ sich die Hände fesseln, obwohl ein kleiner Stoß mit dem Ellbogen in Merkels Seite gereicht hätte, um ihn sich vom Leib zu schaffen. Merkel war auf diesen Stoß gefasst, aber dass er ausblieb, störte ihn nicht im Geringsten.
    Er schlang die Schnur mehrfach um das Lenkrad, verknotete sie, nahm den Dolch zurück in die Hand, setzte die Spitze erneut an Ohloffs Hals und strich wie spielerisch damit über die weiche Haut. Ohloff zuckte zusammen, unterbrach sein Gestammel für einen Augenblick. Er hatte anscheinend nur einen leichten, brennenden Schmerz gefühlt, machte sich noch steifer und den Hals lang und stieß hervor: «Ich glaub, du hast mich geschnitten, Hein!»
    Merkel sah fasziniert, wie die Dolchspitze eine feine, dunkle Spur hinterließ. Wäre es nicht so dämmrig gewesen in der alten Gießerei, hätte die Spur wohl rot ausgesehen.
    «Du hast es erfasst», bestätigte er und nickte bekräftigend.
«Aber keine Sorge, der Schnitt ist nicht tief, verbluten wirst du nicht daran. Jetzt unterhalten wir uns mal. Ich stelle die Fragen. Du gibst die Antworten. Und für jede Antwort, die mir nicht gefällt, mache ich dir einen Schnitt ins Bein. Der Rücken wäre mir zwar entschieden lieber, aber da komme ich ja jetzt nicht ran. Und das Bein tut’s auch für den Anfang.
Sehen wir mal, wie weit wir damit kommen. Wenn uns das nicht weiterbringt, schneide ich dir für jede falsche Antwort einen Finger ab.»
Ohloffs Finger, die noch über dem Lenkrad in die Höhe ragten, zuckten unwillkürlich. Er bog sie rasch um das abgewetzte Leder, sagte noch einmal: «Hein, mach doch keinen Quatsch, ich …» Und verstummte mit einem Schmerzlaut, als Merkel ihm die Klinge zum ersten Mal über den rechten Oberschenkel zog.
In der nächsten halben Stunde hörte Merkel von ihm mehr Gewimmer und Geschrei, als er sich vorgestellt hatte. Nicht ein einziges Mal kam eine vernünftige Antwort, nur immer wieder die Beteuerung: «Ich war’s nicht, Hein. Glaub mir doch. Ich war’s nicht.»
Ein feiges Schwein, dachte Merkel. Aber so waren sie am Ende alle. Kaum einer konnte auf Anhieb zugeben, was er getan hatte. Merkel hörte sich das Gejammer mit unbewegter Miene an und stellte mehrfach fest: «Aber du warst da. Wenn du weißt, dass die Fendrich gepennt hat, musst du da gewesen sein. Du bist durch den Garten gekommen, hast du ja immer gemacht. Warum?»
«Irene wollte das», jammerte Ohloff. «Weil ihr Mann …»
«Quatsch

Weitere Kostenlose Bücher