Merlin und die Feuerproben
Meister Lugaid, dem dieses Gasthaus gehört, und mich, den alten Bachod. Und
ein paar lahme Schafe.« Er schaute böse zu dem Bärtigen am Feuer hinüber. »Es ist ein schlimmer Ort, mein Liebes, das kann
ich dir versichern. Ein Ort, den man meiden sollte, wenn man kann.«
Keuchend stellte ich den Tisch wieder auf. »Hast du etwas dagegen, dass wir uns kurz hier hinsetzen? Nur um trocken zu werden.«
Bachod wiegte den Kopf mit dem fettigen Schnurrbart und den weißen Haaren, die ihm über die Ohren fielen, von einer Seite
zur andern. »Solange ihr zahlt, bevor ihr etwas esst, sollte Meister Lugaid nichts einzuwenden haben.« Er zog einen Lumpen
hervor und wischte den Tisch ab. »Gebt nur Acht, in wessen Nähe ihr sitzt, wenn ihr gesund bleiben wollt.«
»Das machen wir.« Ich fegte schimmlige Käsereste von einem Stuhl und setzte mich neben Hallia. »Übrigens«, fragte ich so beiläufig
wie möglich, »wohin führt eigentlich diese alte Straße draußen? Doch bestimmt nicht zu den Klippen hinauf.«
Der Alte wischte weiter. »Ach, der kleine Weg ist älter als ich, vielleicht älter als die Felsen. Er windet sich bloß durch
dieses Tal wie eine zusammengerollte Schlange und führt nirgendwohin.« Er senkte die raue Stimme. »Manche behaupten, die Geister
hätten ihn angelegt.«
»Geister?«
»Von droben aus den Bergen. Hast du nichts von ihnen gehört, mein Junge? Dann wird es aber Zeit, wenn ihr hier herumreist.«
Er hörte auf zu wischen und schaute sich furchtsam um, als würden sogar die Stühle und Tische zuhören. Schließlich krächzte
er: »Sie sind wütend. Und so rachsüchtig. Vielleicht seid ihr in diesem kleinen Tal eures Lebens sicher. Aber irgendwo auf
dem Berg … also, ihr würdet euch lieber von tausend Speeren durchbohren lassen als ihnen in die Hände zu fallen.«
Nervös zupfte er an seinem Schnurrbart. Dann wandte er sich an Hallia. Drohend senkte er die Stimme. »Tod – das wäre eine
Gnade im Vergleich zu dem, was sie deinem Herz, deinen Eingeweiden und vor allem deiner unsterblichen Seele antun, wenn sie
herausbekommen, dass du … ein Hirschmensch bist.«
Ihre Augen traten hervor, dann schoss sie wie der Blitz zur Tür, riss sie auf und verschwand im Regen.
Wütend fuhr ich Bachod an: »Du alter Narr!«
Er wich zurück. »Ich wollte bloß helfen, das ist alles.«
Am liebsten hätte ich ihm auch einen Schreck eingejagt, doch ich drehte mich um und rannte Hallia nach. Gerade als ich an
der Tür war, sah ich, wie sie hinter die Hütte mit dem eingefallenen Dach lief. Dahinter ragten schwärzer als der Himmel die
zerklüfteten Klippen über dem Tal auf.
»Hallia!«, rief ich und stürzte ihr nach. Schlamm spritzte unter meinen Stiefeln, der Regen lief mir in Strömen über Hals
und Arme. Donner dröhnte gegen die Bergwand.
Bei der zerfallenen Hütte rutschte ich zu einem Halt und spähte in den Wolkenbruch. Nichts. Nichts als Regen.
Da hörte ich ein Flüstern direkt hinter mir. »M-e-e-erlin.« Ich fuhr herum. Da, unter einer überhängenden Steinplatte,die alles war, was von dem zerfallenen Dach noch blieb, kauerte Hallia. Ich duckte mich unter die Platte und kroch zu ihr.
Ich legte die Arme um ihre triefenden Schultern und zog ihren zitternden Körper an mich.
Mehrere Minuten vergingen. Der Regen ließ nicht nach. Endlich hörte sie auf zu zittern und atmete gleichmäßiger. Ich spürte,
wie sie sich entspannte und den Kopf an meine Schulter legte. Ringsum platschte der Regen, ein kalter Wind schnitt durch unsere
Kleidung. Doch ich fror nicht.
Plötzlich wurde Hallia starr. Bevor ich mich bewegen konnte, spürte ich eine Degenklinge zwischen den Schulterblättern.
XXIII
DEGENSPITZE
S till jetzt«, knurrte eine Stimme hinter mir. Der Degen drückte fest auf meinen Rücken.
Hallia stand neben mir so wachsam, als hätte sie es mit einem Wolfsrudel zu tun. Wasser strömte von der überhängenden Platte,
die uns schützte, und spritzte auf meinen linken Arm. Ich versuchte ruhig zu bleiben und atmete tief ein. »Wir wollen dir
kein Leid tun, guter Mann. Lass uns in Frieden gehen.«
»Gewählte Worte! Du musst bei einem Barden in die Schule gegangen sein.«
Trotz der Klinge fuhr ich zusammen. Etwas an der Wortwahl, wenn nicht an der Stimme, klang vertraut. Doch ich konnte es nicht
unterbringen.
»Sag mir die Wahrheit«, verlangte der Mann im Schatten. »Hast du auch gelernt den Psalter zu spielen?«
Ohne an irgendeine Gefahr zu
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