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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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gegeben, das Stangmar nie geben konnte – ein sehr viel wertvolleres
     Geschenk als den Galator.«
    »Ein Geschenk, das wir teilen«, antwortete er.
    Das Feuer sank in sich zusammen und schickte einen glühenden Funkenregen in die Luft. Im flackernden Licht schienen die Lehmwände
     der Hütte zu glühen; gelbe und orange Schimmer fluteten darüber wie leuchtende Wellen. Ich schaute zu Lleus schlafender Gestalt
     hinüber, sein verletztes Ohr lag dunkel im Schatten. Er sah so klein aus, aber robust und tapfer über sein Alter hinaus. Als
     ich ihn beobachtete, wie er nach einem derart entsetzlichen Tag so friedlich schlummerte, spürte ich wider Willen ein starkes
     Mitgefühl für ihn. Mochte er nie wieder einen solchen Tag durchleben müssen!
    Cairpré beugte sich zum Feuer und stocherte mit einem Stock darin herum. Weitere Funken flogen, sie beleuchteten seine hohe
     Stirn und den größten Teil seines Gesichts bis auf die tief liegenden Augen. Dadurch glich er mehr einer kühn gemeißelten
     steinernen Statue als einem Mann aus Fleisch und Blut. Er warf den Stock in die Flammen, zog die Knie an die Brust und wandte
     sich mir zu.
    »Dagda sagte dir etwas, das nicht ganz richtig war.«
    »Wirklich?«, fragte ich, erstaunt über die Kühnheit meines alten Mentors.
    »Ich meine seinen Hinweis auf die alten Zeiten, die Tage, in denen die Fincayraner noch eine Gemeinschaft der Arten waren.
     Bevor wir in die Uneinigkeit verfielen, die heute herrscht – ein Umstand, den Stangmar für sich nutzte und gewiss verschlimmerte,
     aber nicht erfunden hat.«
    »Was ist daran nicht richtig?« Ich war mir nicht sicher, worauf er hinauswollte.
    Die wirren Augenbrauen des Dichters, vom Feuerschein beglänzt, hoben sich. »Du sagtest, Dagda nannte diese Zeit
Tage, die vergessen sind.
«
    »Das sind sie doch, oder nicht?«
    »Nicht ganz, Merlin. Die Barden zumindest erinnern sich noch an diese Tage.«
    Wehmütig schaute er in die Flammen. »Und was waren das für wundersame Tage! Immer wenn ein Haus oder eine Bibliothek gebaut,
     ein Garten angelegt wurde, teilten sich viele die Arbeit – und die Früchte. Alle Geschöpfe streiften frei umher; es gab keine
     Rangordnung. Meermenschen tollten unbehelligt in den Wassern und Wölfe liefen auf den gleichen Pfaden wie Hirsche und Menschen.
     Manche Tiere fraßen natürlich andere und fast jeder aß Pflanzen, aber nie mehr, als zum Überleben nötig war und immer mit
     einem bleibenden Gefühl der Dankbarkeit. Oh, wenn ich dir nur
Des Adlers Lobgesang auf die Maus
rezitieren könnte oder die alte Ballade
Verletzte Taube, nimm du meine Flügel

    Das Feuer brannte schwächer und vertiefte die Schatten um seine Augen. »Das waren damals große Theaterereignisse mit Aufführungen
     durch Angehörige aller Arten – von der mächtigsten Windschwester, deren Arme von einer Küste der Insel zur anderen reichten,
     bis zur zierlichsten Leuchtfliege, deren Auftritt flüchtiger war als ein Mondstrahl.«
    »Die Bäume erinnern sich auch daran«, erklärte Rhia; ihr blättriges Gewand schimmerte im Feuerlicht. »Arbassa – und der einzige
     andere Baum in ihrem Alter, die ehrwürdige Ulme Helomna   –, beide haben mir Geschichten aus jenen Zeiten erzählt. Jeder, der älter war als ein Schössling, konnte gehen, sagten sie,
     indem er mit den Wurzeln auf den Boden schlug oder darüber wegglitt. Manchmal wanderteein ganzer Wald gemeinsam:
Wie ein Berg in Bewegung, wie eine Welle auf dem Land.
« Sie strahlte mich an. »Kannst du dir etwas Großartigeres vorstellen?«
    »Nur eins«, antwortete ich. »Jene Tage zurückzubringen.«
    »Weißt du, es ist möglich«, sagte Cairpré, »tatsächlich möglich. Solange irgendjemand sich noch daran erinnert. Stell dir
     das nur vor! Zu erleben, wie Fincayras ruhmreiche Tage wiederkehren!« Er runzelte die Stirn. »Doch zuerst müssen wir Rhita
     Gawrs Angriff überleben.«
    Ich wollte schlucken, doch meine Kehle war zu trocken. »Glaubst du, dass wir eine Chance haben?«
    Der Barde stocherte eine Zeit lang im Feuer, bevor er antwortete. Schließlich wandte er sich mir wieder zu. »Wir leben in
     einem Land, wo die Wälder sich bewegten. Ja, wie die Gezeiten! In einem solchen Land, mein Freund, ist alles möglich. Alles.«
    Er holte tief Luft. »Ich muss nach Hause.« Mit einem Blick auf Elen fügte er hinzu: »Nur lange genug, um meine Bibliothek
     zu befragen, das verspreche ich.« Seine Stimme sank zu einem Flüstern. »Da ist noch etwas, das Dagda

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