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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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streifte. Und ich erriet zugleich ihre unausgesprochenen Fragen nach meinen Plänen.
    Pläne. Das war ein viel zu starkes Wort. Ich hatte nur eine Idee und nicht viel Zuversicht, dass sie wirklich gut war. Oder
     dass Rhia sie guthieß. Wenigstens war ich dankbar, dass ich noch ein paar Stunden darüber nachdenken konnte, weil Rhia mich
     nur gebeten hatte am Abend mein Vorhaben zu erklären. Aber dass die Zeit so schnell verging, beruhigte nicht gerade meinen
     empfindlichen Magen.
    Den Rest des Tages ritten wir zusammen über die vereisten Ebenen nach Norden. Wir redeten wenig, auch wenn Scullyrumpus mit
     seinem ständigen finsteren Blick mir deutlich zeigte, was er dachte. Den Tag hindurch änderte sich das Tempo der Pferde so
     wenig wie die trüben Wolken am Himmel. Wozu sich beeilen, wenn ich selbst nicht sicher war, wohin unsere Reise ging?
    Schließlich erhellte ein farbloser Sonnenuntergang die Wolken im Westen. Wir näherten uns einem noch fließenden Bach, der
     aus einer dichten Baumgruppe sprudelte. Ich deutete auf eine krumme Eiche am Waldrand und erklärte: »Dort ist unser Lagerplatz
     für die Nacht.«
    »Wundibar, ganz wundibar«, knurrte die Stimme von Rhias Schulter. »Und bestimmtestimmt kein Abendessen.«
    Rhia brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ich habe ein paar Haferplätzchen, du Vielfraß. Und vielleicht ein
     paar Tangbeeren, wenn du Ruhe gibst.« Sie schaute zu mir herüber. »Merlin hat einiges zu erzählen.«
    »Gutigut«, schnatterte Scullyrumpus. »Geschwätz des ungeschickten Mannes schläfert mich ein.«
    Ohne die Pferde anzubinden setzten wir uns zwischen die Eichenwurzeln, die wie knochige Finger die Erde umklammerten.Rhia holte eine Hand voll Haferplätzchen und ein paar purpurrote, herbe getrocknete Beeren aus ihrer Tasche. Ich nahm mir
     ein paar, genau wie Scullyrumpus, der dabei mit den Lippen schmatzte. Dann griff ich nach einem abgerundeten Stein und brach
     die Eisfinger ab, die über den Bach gestreckt waren. Während ich Rhias Flasche bis zum Rand füllte, ließ das eiskalte Wasser
     meine Hand fast erstarren.
    »Jetzt könnten wir einen Schluck von deinem Himbeersirup brauchen«, jammerte ich.
    Rhia lachte bei dem Gedanken, ihre Augen funkelten. Trotz allem war ich froh über ihre Gesellschaft. Wenigstens für eine weitere
     Nacht.
    »Also«, fing ich an, »lass uns . . .«
    »Nachtonacht, geschwätziger Mann.« Scullyrumpus rutschte mit einem Haferplätzchen in jeder Pfote in Rhias Ärmeltasche. »Quatsch
     jetzt ruhig die ganze Nacht. Und plumpseplumps nicht in den Bach, hek-heka, hii-hii-hii-ho.«
    Ich sah, wie seine Ohren in der Tasche verschwanden, und schüttelte den Kopf. »Er vertreibt einem so nett die Zeit.«
    Rhia schluckte eine ihrer Beeren. »Ab und zu bringt er mich zum Lachen. Das ist was wert.«
    »Ungefähr so viel wie Sodbrennen, wenn du mich fragst.«
    Sie langte zu mir herüber, dass ihre dicke Jacke sich bauschte, und klopfte auf mein Bein. »Also erzähl mir von deiner Idee.«
    Ich holte tief Luft und fing noch mal an. »Denk eine Minute über unser Problem nach. Wir haben nicht genug Zeit, um jedes
     Geschöpf auf Fincayra zu warnen. Also muss ich entscheiden, wer am meisten gegen Rhita Gawr ausrichtenkönnte, und die Betreffenden aufsuchen. Ich meine, wir sollten zuerst die Cañonadler alarmieren.«
    Rhia rollte eine Beere zwischen den Fingern und überlegte. »Das macht Sinn. Weiter.«
    Ich betrachtete sie einen langen Augenblick. »Rhia, es gibt einige Geschöpfe, die du besser kennst als ich – und die dir vertrauen
     wie ich.«
    Nervös wich sie zurück an eine stämmige Wurzel. »Du willst doch nicht, dass ich . . . Nein, Merlin. Ich würde dir gern helfen,
     alle zusammenzurufen, aber ich kann es wirklich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil«, platzte sie heraus, »es nicht geht.«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Ich schon!« Sie wandte sich ab und schaute in den düsteren Wald hinter der alten Eiche. »Ich jedenfalls kann es nicht. Ich
     gehöre in die Druma, das weißt du. Zu den Bäumen, meinen Freunden.«
    Ich legte die Hand auf die tief gefurchte Eichenrinde. »Sie könnten auf dich hören, Rhia. Sie könnten sogar aus dem Schlaf
     erwachen, der ihre Wurzeln so viele Jahrhunderte lang im Boden festhielt.«
    »Kaum«, sagte sie spöttisch. »Sogar die Drumabäume, die wacher sind als die meisten, schaffen es nicht mehr, die Wurzeln aus
     dem Boden zu heben. Sie haben so lange geschlafen, dass sie vergessen haben, wie das

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