Merlin und die Fluegel der Freiheit
geht.«
»Und was ist mit den wandelnden Bäumen?«, beharrte ich. »Erst im vergangenen Jahr habe ich einen getroffen, beim verhexten
Moor.«
»Einen
nynniaw pennent
? Einen echten? Das hast du mir nie erzählt!« Sie riss die graublauen Augen auf, war aber gleich wieder gelassen. »Du weißt,
wie selten sie sind. Ichhabe gehört, dass es auf der ganzen Insel nur noch fünf oder sechs gibt. Und außerdem sehen sie aus wie jeder andere Baum.
Selbst ihr Name heißt
immer da, nie entdeckt.
«
Ich streifte mit der Hand über die Furchen des Stamms und legte sie ihr dann auf die Schulter. »Du könntest sie entdecken,
Rhia. Das weiß ich! Und wenn es dir gelingt, dich mit ihnen auszutauschen, dann wissen sie vielleicht, wie sie die anderen
Bäume wecken können.« Ich beugte mich zu ihr und schaute sie unverwandt an. »Überleg doch! Ein Wald in Bewegung, hast du gestern
Nacht gesagt! Wenn Rhita Gawrs Heer je so etwas sehen würde . . .«
Ich vollendete den Satz nicht, behielt sie aber fest im Blick. »Erinnerst du dich?
Wie ein Berg in Bewegung, wie eine Welle auf dem Land.
«
Sie fuhr sich mit der Hand durch die Locken und wirkte nicht im Geringsten überzeugt. »Es ist schön, sich das vorzustellen.
Aber . . .«
»Was?«
»Oh, mir liegt so etwas einfach nicht.«
»Jetzt komm schon. Du hast Stangmar in seinem eigenen Schloss herausgefordert oder etwa nicht?«
»Ja, und ich habe jede Minute davon gehasst.«
»Und du bist mit mir in die Höhle des Drachen gegangen, stimmt’s? Dort standen wir nicht unserer Freundin Gwynnia gegenüber,
sondern ihrem Vater, der dreimal größer und tausendmal zorniger war.«
Sie lächelte schwach. »An dem Tag hast du in deinen eigenen Stiefel gebissen.«
»
Mmmm «
, ich tat, als würde ich etwas ungeheuer Zähes kauen, »bring mir«,
schmatz, schmatz
, »ein bisschen Salz.«
Sie grinste breiter. »Nicht nötig. Da ist schon genug von deinen Schweißfüßen dran.«
Wir lachten beide so, dass Scullyrumpus überrascht den Kopf aus der Tasche streckte. Als er eins von Rhias Haferplätzchen
unbewacht auf einer Wurzel sah, sprang er hinunter, packte den Leckerbissen und verschwand wieder in der Tasche, bevor jemand
widersprechen konnte.
Als wir uns beruhigt hatten, schaute mich Rhia lange und kritisch an. »Du bist verrückt, Bruder. Völlig verrückt.«
Ich nickte.
»Und die ganze Idee ist lächerlich. Und natürlich gefährlich, wenn beide, Stangmar und dieses schwertarmige Geschöpf, die
Insel unsicher machen.«
Ich nickte wieder.
Sie schluckte. »Also gut, ich mache es.« Wütend fragte sie: »Wie schaffst du es bloß, mich zu solchen Sachen zu überreden?«
»So wie du es geschafft hast, mich zum Fliegen mit der Ranke zu überreden.«
Sie trommelte auf den krummen Stamm der Eiche, der schon von dämmrigen Schatten umgeben war. »Erzähl, was du sonst noch planst.
Welche anderen Verbündeten willst du gewinnen, während ich versuche die Bäume zu wecken?«
»Wie gesagt, die Cañonadler. Du weißt, dass sie schwer zu finden sind, aber ich habe ihnen vor langer Zeit geholfen und hoffe,
sie haben es nicht vergessen.«
»Wen noch?«
»Die Riesen, so viele wie möglich. Shim kümmert sich schon darum. Aber wir brauchen auch Hilfe von den Zwergen, diesen wilden
Kämpfern.«
»Das wird nicht leicht sein.« Sie steckte sich die aufgesparte Beere in den Mund. »Deine letzte Begegnung mit Urnalda war
ungefähr so bitter wie diese Frucht.«
Ich fuhr über den geschnitzten Griff meines Stocks, der neben mir lag. »Ich weiß, das kannst du mir glauben. Aber sie ist
mehr als nur die Anführerin der Zwerge, stimmt’s? Sie ist eine mächtige Zauberin mit der besonderen Fähigkeit, in die Zukunft
zu sehen. Möglicherweise kennt sie schon die Gefahren, die auf uns warten. Und wenn sie überredet werden könnte – nun, ein
zorniger Zwerg ist ein Dutzend von Rhita Gawrs Kriegergoblins wert.«
»Moment mal. Du kannst darauf wetten, dass Rhita Gawr Hilfe von seinen alten Verbündeten, den Goblins hat. Aber der größte
Teil seines Heers wird aus Geistern bestehen, aus unsterblichen Wesen. Das hat dir Dagda gesagt. Wie willst du sie bekämpfen?«
Mehrere Sekunden lang horchte ich auf das Plätschern des Bachs, der an den Eisrändern seiner Ufer entlangfloss. »Ich weiß
nicht«, sagte ich schließlich. »Ich weiß es wirklich nicht. Wir müssen einfach unser Bestes tun.«
Rhia kaute schweigend – nicht auf etwas Essbarem, sondern auf ihrer
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