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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Frauen. Sie sangen ein zutiefst wehmütiges Lied. Doch ich konnte noch immer kein Wort
     verstehen.
    Während wir dem Bach folgten, mündete er in einen größeren Fluss. Wasser schlug ans Ufer, oft bedeckte es den Boden mit einer
     dünnen Eisschicht. An solchen Stellenrutschte mein Fuß gelegentlich zur Seite und glitt ins Wasser, das fast so kalt wie das Eis war. Mehrmals musste ich stehen
     bleiben und meinen Stiefel ausleeren, bevor meine Zehen gefühllos wurden. Rhia schien so etwas nie zuzustoßen, stellte ich
     ärgerlich fest und versuchte ihre Schadenfreude zu übersehen. Wenigstens schaute Scullyrumpus nicht zu.
    Schließlich wurden die Abstände zwischen den Bäumen größer. Die Ufer des Flusses wurden breiter und bildeten auf beiden Seiten
     eine Wiese mit bereiftem Gras. Im nächsten Moment, als wir einen zerklüfteten Stein umgingen, sah ich plötzlich die Urheber
     des Gesangs. Ich blieb stehen und fasste Rhia an der Hand.
    Nicht weit von uns standen eng aneinander gedrängt am Fluss sieben oder acht Leute. Sie trugen dunkle Gewänder und fein gewebte
     Trauerschals, die den Verlust eines geliebten Menschen anzeigten. Kerzen flackerten zu ihren Füßen. Hinter ihnen erhob sich
     ein kleiner Hügel frisch umgegrabener Erde – das Grab einer kleinen Person.
    Während wir schweigend dastanden, überschwemmten uns die Worte des Lieds wie ein Tränenfluss:
    Ein Licht entflammt, ein Licht gelöscht,
    ein Abendrot am Morgen:
    Wie kurz sind Leben, Liebe hier,
    wenn stirbt, was kaum geborgen.
     
    Ein Blatt auf Wassern dieser Welt,
    dem Fluss, von nichts erschüttert,
    Trägt eine Kerze weit stromab,
    die zarte Flamme zittert.
     
    Oh Kerzenlicht! Brenn immerzu,
    solang dein Docht vorhanden.
    Zeig uns den Funken und den Schein,
    die viel zu früh verschwanden.
     
    Woher kommt dieses Licht, das strahlt,
    auf jedes Menschenleben?
    Und wohin schwindet es so bald,
    um Leben aufzugeben?
     
    Ein Leben endet, Zukunft fehlt,
    das warme Herz wird kalt.
    Kein größres Leid, kein höhrer Preis,
    das Licht erlöscht zu bald.
     
    Oh Kerzenlicht! Brenn immerzu,
    solang dein Docht vorhanden.
    Zeig uns den Funken und den Schein,
    die viel zu früh verschwanden.
    Das Lied endete, auch wenn es schien, als schwebten die traurigen Töne unter den kahlen Zweigen und würden von den Bäumen
     zurückgeworfen. Einer der Trauernden nach dem anderen bückte sich und hob eine flackernde Kerze vom Boden auf. Vorsichtig
     stellten sie die brennenden Kerzen auf die großen runden Blätter der Pestwurz
,
die das ganze Jahr zwischen den Wurzeln des Weißdorns wächst. Die Leute setzten sehr sorgfältig die Kerzen auf den Fluss und
     ließen sie wie eine Prozession fackelbeleuchteter Totenkähne vom Wasser davontragen.
    Wieder stimmten sie diesen Vers an:
    Ein Licht entflammt, ein Licht gelöscht,
    ein Abendrot am Morgen:
    Wie kurz sind Leben, Liebe hier,
    wenn stirbt, was kaum geborgen.
    Die letzten Worte verklangen, verschwanden, wie die Flammen der tropfenden Kerzen bald im eisigen Wasser untergehen würden.
     Traurig trennten sich die Leute. Ein älterer Mann mit einem Kranz weißer Haare um den Kopf blieb zurück, nachdem die anderen
     gegangen waren. Stumm starrte er auf die Kerzen, die den Fluss hinunterschwammen.
    Ich kam mit Rhia näher. Als wir nur noch ein paar Schritte entfernt waren, schrak der Alte zusammen und trat ängstlich zurück.
     Sein Gesicht war vom Kerzenlicht erleuchtet, während er uns furchtsam betrachtete.
    »Wir bringen nichts Böses«, erklärte ich und hob meinen Stock. »Wir sind nur Reisende, die hier durchkommen.«
    Der Ältere schüttelte langsam den Kopf. »Schon gut, dieser Tag hat bereits genug Böses gesehen.«
    Rhia trat einen kleinen Schritt näher. Sie deutete auf das Hügelchen und fragte: »Wer ist gestorben?«
    »Ein Mädchen«, sagte er abweisend. »So jung und in der Blüte des Lebens. Sie hieß Ellyrianna.«
    »Ellyrianna«, wiederholte Rhia. »So ein schöner Name.«
    »Ja, aber ihr Lachen klang noch schöner.«
    »War sie dein Kind?«
    Der Mann beobachtete einen Augenblick die schwimmenden Kerzen. »Ja und nein. Sie gehörte allen in unserem Dorf. Sie schlief
     und aß und arbeitete und lachte bei uns, aber Eltern hatte sie nicht.«
    Mir wurde die Kehle eng. »War sie eine Waise?«
    »Ja.« Schweigend sah er zu, wie eine der Kerzen flackerte und im Wasser versank. »Und warum sie so ermordet wurde, weiß niemand.«
    »Ermordet?«, fragte ich. »Wer war das? Weißt du das?«
    Der Alte

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