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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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neben dem Wellenschlag
     immer noch hörten. Wir setzten uns in eine kleine Kuhle am Fuß der Düne in der Nähe einer Baumgruppe, die von einer Frühlingsflut
     des unaufhörlichen Flusses überschwemmt worden war. Die gebleichten, fast rindenlosen Stämme standen da wie riesige Pfeile,
     die in den Boden geschossen worden waren. Hinter den abgestorbenen Bäumen dehnte sich das Überschwemmungsgebiet, jetzt mit
     dürrem Gras und hart gewordenem Schlamm bedeckt.
    »Cairpré«, kündigte ich an, »ich habe einen Plan zur Rettung der Kinder an einen Ort, wo sie in Sicherheit sein werden.«
    »Gut, mein Junge.
Soll das Schicksal Gutes gründen, statt in Leid und Schmerz zu münden.«
    »Ich muss nur noch herausfinden . . .«
    »Später, Merlin. Du musst dir anhören, was ich gefunden habe.«
    Er sagte es so ernst, dass ich neugierig wurde. »Nun gut. Was ist es?«
    Er beugte sich zu mir. »Es ist eine alte Ballade mit so dunklem Sinn, dass ich sie ganz vergessen hatte. Bis du vondeiner Vision erzählt hast.« Er griff erregt nach meiner Hand. »Der Barde Fin Gaillion hat sie geschrieben!«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wer?«
    Er runzelte die Stirn und kratzte sich die Nasenspitze – eine Reaktion, die ich immer mal wieder im Lauf der Jahre gesehen
     hatte, wenn er mich unterrichtete. Sie bedeutete so etwas wie
du Dummkopf
. Jetzt sagte er langsamer: »Fin Gaillion, Prophet der Westküsten.«
    Verständnislos starrte ich ihn an.
    Cairpré knirschte ungeduldig mit den Zähnen. »Er sah in die Zukunft. Und er war berühmt – zumindest für einige von uns. Er
     wanderte vor Jahrhunderten die Küste entlang und kleidete seine Prophezeiungen in Verse. Unglücklicherweise sind die meisten
     seiner Voraussagen etwa so klar wie die nebligen Strände, an denen er sie schrieb. Aber immer mal wieder zeichnet er ein klares,
     wenn auch flüchtiges Bild von der Zukunft.« Leiser fügte er hinzu: »Auch wenn es ein Bild sein mag, das uns nicht gefällt.«
    »Was sagt er in seiner Ballade?«
    Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Worte, während er mit den Fingern auf seinen Schenkel trommelte. Schließlich
     rezitierte er:
    Fincayra erleidet
    Zur Sonnenwendnacht,
    Der längsten des Jahres,
    Der Anderswelt Macht.
    Denn alle Bewohner,
    Ob Mensch oder Geist,
    Erwartet ein Endkampf,
    Der Schlimmes verheißt.
     
    Beim Tanze der Riesen
    Erscheint dann ein Tor;
    Wer niemals hier wohnte,
    Tritt plötzlich hervor
    Und kämpft. Wie es endet,
    Wird morgens erst klar:
    Besteht noch Fincayra so,
    Wie es einst war?
     
    Kehrt Land, längst vergessen,
    Zur Küste zurück,
    Sind Feinde von früher
    Vereint, scheint das Glück
    Verbürgt, denn es jubelt
    Im Himmel und nah:
    Das Gleichgewicht stimmt und
    Die Flügel sind da.
     
    Doch was man vernommen,
    Wird schändlich verkehrt –
    Die Hoffnung ist irrig,
    Die Schätze: nichts wert.
    Ein Leichentuch senkt sich
    Von oben herab:
    Die längste der Nächte
    Wird jedermanns Grab.
    Cairpré öffnete wieder die Augen und sah mich besorgt an. »Um mehr könnte es nicht gehen, mein Junge.«
    Ich nickte. »Ist dir aufgefallen, dass der Barde Flügel erwähnt? Genau wie Dagda. Ich verstehe nur nicht, wie sie dazu passen.«
    Der Dichter rieb die Hände aneinander, um sie zu wärmen. »Ich auch nicht. Was mich aber am meisten verwirrt, ist davor der
     Hinweis:
Kehrt Land, längst vergessen, zur Küste zurück.
« Er betrachtete die knochenweißen Baumstämme. Dann murmelte er vor sich hin: »Die vergessene Insel kann damit unmöglich gemeint
     sein.«
    Ich holte hörbar Luft. »Dahin will ich die Kinder bringen!«
    Auf seinem Gesicht zeigte sich in rascher Folge Überraschung, Zweifel und Entsetzen. »Das kannst du nicht tun, Merlin. Erinnerst
     du dich nicht? Vor langer Zeit war das ein Teil von Fincayra, dann trennte Dagda es völlig ab, schob es hinaus ins Meer und
     umgab es mit einem vielfältigen Zauberbann.«
    »Das weiß ich. Und wenn ich nur herausfinde, wie man hinkommt, werden die Kinder in Sicherheit sein. Für immer aus der Reichweite
     dieses schlimmen Kriegers.«
    Nachdrücklich schüttelte er den Kopf mit der grauen Mähne. »Unmöglich. Erstens, wie willst du hinkommen?«
    »Nun, ich . . . wir könnten, äh . . .«
    »Ich verstehe«, sagte er ernst.
    Plötzlich hatte ich einen Einfall. Ich sprang auf, lief zu den abgestorbenen Bäumen und schlug auf einen der weißen Stämme.
     »Wir werden ein Floß bauen. Ja, ein großes Floß aus diesen Bäumen. Shim wird mir helfen. Es

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